Person der Woche

Person der Woche Plötzlich wird die "Deutschland-Koalition" zur Option

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Alles lässt sich ändern - auch das Image der FDP?

Alles lässt sich ändern - auch das Image der FDP?

(Foto: IMAGO/Schöning)

Für Schwarz-Grün und Schwarz-Rot schrumpfen die Mehrheiten. Plötzlich kommt die FDP zurück ins Spiel. In Berlin wird bereits über eine "Deutschland-Koalition" geraunt - Sachsen-Anhalt lässt grüßen.

Die Große Koalition ist klein geworden. Bei der Bundestagswahl 1976 (Helmut Schmidt vs. Helmut Kohl) versammelten Union und SPD noch satte 91,2 Prozent der Wähler hinter sich. Zwanzig Jahre später, 1998 (Helmut Kohl vs. Gerhard Schröder), waren es immerhin noch 76,1 Prozent. Bei den letzten Bundestagswahlen 2021 (Scholz vs. Laschet) sank das Wählervotum für beide Volksparteien mit 49,8 Prozent erstmals unter die Fünfzig-Prozent-Marke. Derzeit ist man nicht einmal mehr knapp darunter. Das jüngste Trendbarometer misst gerade noch 47 Prozent für Union und SPD. Tendenz: Fallend.

Damit verändert sich der Blick der Wähler auf mögliche Koalitionen nach der Wahl. Bislang war Schwarz-Rot die wahrscheinlichste Regierungs-Variante der nächsten Legislatur, Schwarz-Grün eher eine vage Idee (schon weil die CSU das kategorisch ablehnt), eine Zusammenarbeit mit der AfD gar keine Option (weil die Brandmauer steht). Nun aber tut sich ein völlig neuer Weg auf. Da sich die FDP von ihrem Debakeltief im Dezember langsam erholt und in ersten Umfragen wieder die Fünf-Prozent-Marke erreicht, ist plötzlich auch eine schwarz-rot-gelbe Deutschland-Koalition aus Union, SPD und FDP denkbar.

Modell Magdeburg

Insbesondere für Wechselwähler der bürgerlichen Mitte könnte die Deutschland-Koalition Attraktivität entfalten - einerseits um das liberale Element in der kommenden Regierung zu stärken, andererseits um eine echte Politikwende zu schärfen. Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner hat im Interview mit ntv.de bereits die Argumentationslinie dafür vorgegeben: "Mit Schwarz-Rot oder Schwarz-Grün wären eine Wirtschaftswende und eine konsequentere Migrationspolitik, eine Politik mit weniger Bevormundung und mehr Vertrauen auf Freiheit und Eigenverantwortung nicht realisierbar."

Das Modell dafür liefert Sachsen-Anhalt, wo seit 2021 eine Deutschland-Koalition regiert, weil auch dort die vermeintlich Große Koalition zu klein geworden war und alle anderen Optionen politisch unmöglich wurden. In Anbetracht der politischen Stimmung in Deutschland wird eine Deutschlands-Koalition auch in zahlreichen Kommunen zusehends Realität - von Bremerhaven bis Saarbrücken, von Köln-Mühlheim über Bensheim bis Hamburg-Mitte.

Kubicki hofft auf Rettung

Für die angeschlagene FDP wirkt die Perspektive auf eine Deutschland-Koalition jedenfalls wie ein politischer Defibrillator: Sie könnte die Liberalen aus der aktuellen Nahtoderfahrung retten. Kein Wunder also, dass FDP-Vize Wolfgang Kubicki das Wort aktuell zu seinem Guten-Tag-Ersatz macht. Kubickis Prognose geht so: "Wenn die SPD mit Scholz unter 20 Prozent landet, wovon man ja ausgehen muss, dann sind all die Charakternasen von heute weg. Dann wird es Olaf Scholz nicht mehr geben, keinen Rolf Mützenich, keine Saskia Esken und keinen Lars Klingbeil." Dann könne eine Deutschland-Koalition funktionieren. "Es gibt in der SPD immer noch viele, die das Godesberger Programm im Kopf haben, die an Aufstieg glauben, an wirtschaftliches Wachstum und nicht nur über Gendertoiletten diskutieren wollen."

Kategorisch schließt Kubicki für die FDP jegliche Regierungszusammenarbeit mit Grünen in den kommenden vier Jahren aus. Das Menschenbild sei "einfach zu unterschiedlich. Wir glauben, dass Menschen eigenverantwortlich ihr Leben gestalten können. Die Grünen glauben, dass Menschen beschützt werden müssen. Politisch passt das nicht." In seiner Grünen-Schelte ist sich Kubicki - selten genug - mit Markus Söder völlig einig. Weil aber die Zange aus FDP und CSU die Grünen so vehement ausschließt, wird die andere denkbare Dreiervariante, die Jamaika-Koalition aus Schwarzen, Grünen und Gelben, sehr unwahrscheinlich.

CDU und SPD sind nicht begeistert

Wahlforscher weisen darauf hin, dass die Zahl der immer noch Unentschlossenen bei dieser Bundestagswahl hoch sei. Insbesondere Wähler der Mitte würden ihre Wahlentscheidung noch abwägen. Dabei spielt die Koalitionsoption offenbar eine große Rolle. Für die FDP steckt darin die Chance, ihr traditionelles Flashmob-Potenzial in letzter Minute zu mobilisieren.

Über Wochen strauchelten die Liberalen im Stimmungs- und Umfragetief umher. Sollten sich die Umfragen nun aber auf breiter Basis über die Fünf-Prozent-Marke hinausbewegen, dann könnte das in letzter Minute auch einen breiteren Ruck von der Union zur FDP hin mobilisieren - genau das fürchtet man im Adenauerhaus. In der SPD auch. Denn bei einer Deutschland-Koalition hätten die Sozialdemokraten nicht nur die Wahl und das Kanzleramt verloren, sondern auch noch den ungeliebten Koalitionspartner und Christian Lindner wieder am Hals.

Quelle: ntv.de

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