Andere Länder ziehen vorbei

Sorge um Standort Deutschland: OECD stellt schlechtes Zeugnis aus

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne): Warnende Worte der OECD.

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne): Warnende Worte der OECD.

Berlin. Die Zeiten, in denen die Industrie­länder-Organisation OECD deutsche Regierungen für deren Wirtschafts­politik gelobt hat, sind bereits seit einer Weile vorbei. Heute müssen sich Berliner Regierungs­politiker warm anziehen, wenn der Club der marktwirtschaftlich und demokratisch orientierten Wirtschafts­nationen seine Berichte vorlegt.

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So wie an diesem Donnerstag, als die Konjunktur­experten der OECD ihre Wachstums­prognose für Deutschland ein weiteres Mal nach unten korrigierten. Nur noch ein Miniplus von 0,2 Prozent traut die Organisation für wirtschaftliche Zusammen­arbeit und Entwicklung der deutschen Wirtschaft in diesem Jahr beim Brutto­inlands­produkt zu.

US-Notenbank lässt Leitzins auf hohem Niveau

Zuletzt sah es so aus, als plane die Fed drei Zinssenkungen in diesem Jahr. Doch der Preisauftrieb in den USA hat sich wieder beschleunigt.

Die Bundesregierung hatte ihre Wachstumsprognose zuletzt auf 0,3 Prozent leicht nach oben korrigiert. Das Statistische Bundesamt hat in dieser Woche überraschend ein Plus für die ersten drei Monate des Jahres um 0,2 Prozent im Vergleich zum Schluss­quartal 2023 ausgewiesen.

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Als größtes Wachstums­bremse sieht die OECD fehlende Investitionen in den grünen Umbau der Wirtschaft und nennt ausdrücklich das Haushalts­urteil des Bundes­verfassungs­gerichtes, das zu einer Streichung von 60 Milliarden Euro im Klima- und Transformations­fonds geführt hatte. In der Folge seien geplante steuerliche Anreize für „grüne“ Investitionen gestrichen worden, was dem Vertrauen der Investoren in den Standort Deutschland geschadet habe, so die OECD. Auch die hohen Zinssätze im Euro-Raum würden Investitionen verhindern.

Verhaltener Optimismus für 2025

Für das kommende Jahr ist die OECD etwas optimistischer. Um 1,1 Prozent könnte die deutsche Wirtschaft 2025 wachsen, heißt es. Die Bundes­regierung hatte ihre Wachstums­prognose für 2025 zuletzt auf ein Prozent erhöht. Vor allem der Export werde anziehen, glauben die Experten der OECD. Wachstums­impulse versprechen sie sich auch durch einen von höheren Lohnabschlüssen angetriebenen Binnenkonsum.

In den meisten OECD-Ländern sind die Aussichten deutlich erfreulicher als in Deutschland. Weltweit erwartet die OECD in diesem Jahr ein Wachstum von 3,1 Prozent. Im kommenden soll die Weltwirtschaft um weitere 3,2 Prozent zulegen. Im Euro-Raum erwartet die OECD einen Zuwachs von 0,7 Prozent in diesem und 1,5 Prozent im kommenden Jahr.

Die Analyse der OECD deckt sich mit einer Untersuchung der Wirtschafts­prüfungs- und Beratungs­gesellschaft EY, der zufolge immer weniger ausländische Unternehmen in Deutschland investieren wollen. Die Zahl der Projekte für Neuansiedlungen und Erweiterungen ausländischer Unternehmen in Deutschland sei im Vergleich zum Vorjahr um 12 Prozent gefallen und liege nun noch bei insgesamt 733 Projekten, so die Studie. Das ist der sechste Rückgang in Folge und der niedrigste Stand seit 2013.

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Kritik an deutscher Energiepolitik

Angaben zu den finanziellen Volumen der einzelnen Projekte machte EY nicht. Die Bundes­regierung verweist gern auf mehrere Ankündigungen für Groß­investitionen, etwa den Bau einer Halbleiter­fabrik in der Nähe von Magdeburg oder eines Werks für E-Auto-Batterien bei Heide in Schleswig-Holstein.

Als wichtigsten Grund nennt EY die deutsche Energie­politik. Industrielle Investoren würden durch das rezessive Umfeld, hohe Energie­preise und die Sorge um die Sicherheit der Energie­versorgung abgeschreckt, heißt es. Auch hohe Arbeits­kosten und komplexe Bürokratie würden ausländische Investoren abschrecken.

EY-Chef Henrik Ahlers sprach von einem alarmierenden Signal. „Deutschland wird abgehängt, andere europäische Standorte entwickeln sich viel dynamischer“, sagte er. Ahlers forderte die Politik auf, mit großen Reformen gegenzusteuern. „Die Probleme in Deutschland liegen tief und sind auch struktureller Art. Eine Trendwende wird daher nicht von heute auf morgen gelingen“, sagte er. Notwendig seien eine echte Steuerreform und ein Abbau von Regulierung.