Für Verbrennerverbot und E-Autos: EU zahlte Milliarden an NGOs für Lobbyarbeit

- Sebastian Viehmann
FOCUS online-Redakteur Sebastian Viehmann
Der Europäische Rechnungshof sieht gravierende Mängel bei der Finanzierung sogenannter Nichtregierungsorganisationen (NROs bzw. NGOs (Non-Governmental Organizations), die von der EU-Kommission mit Milliarden-Summen bedacht werden. Der Sonderbericht, der FOCUS online vorliegt, benennt unter anderem Probleme bei der Einstufung von Organisationen als NROs und der Vollständigkeit und Richtigkeit von Daten, die vor der Vergabe von Finanzmitteln erhoben werden. Zwar habe die EU-Kommission ihre Verfahren bereits verbessert, doch bleiben nach Ansicht des Rechnungshofes deutliche Mängel bestehen.
So gibt es zur Einstufung der Organisationen in verschiedenen Mitgliedstaaten unterschiedliche Standards. In Polen zum Beispiel wird offenbar genau hingeschaut: "In Polen dürfen NRO keine Gewinnerzielungsabsicht verfolgen und keine Unternehmen (auch keine staatlichen Unternehmen), Forschungseinrichtungen, Banken oder Teil des öffentlichen Finanzsektors sein. Auch politische Parteien und deren Stiftungen, Gewerkschaften sowie Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände können keine NRO sein", heißt es in dem Sonderbericht.
Über 7 Milliarden Euro an NGOs verteilt
Bei dem NGO-Komplex, der auf EU-Ebene und auch in Deutschland mit dicht gewebten Netzwerken die Parlamente beeinflusst - etwa in der Migrationspolitik, aber auch in der Umwelt- und Verkehrspolitik - geht es um erhebliche Summen. Der "Spiegel" berichtet: "Zwischen 2021 und 2023 schüttete die Kommission in zentralen Bereichen wie Umwelt, Migration und Forschung rund 4,8 Milliarden Euro an gemeinnützige Organisationen aus, dazu kamen weitere 2,6 Milliarden von den Mitgliedstaaten. Die Förderung von Umweltschutz- und Menschenrechtsorganisationen soll ein Gegengewicht zur Lobbymacht von Konzernen und der Industrie schaffen. Tausende NGOs bekommen Geld aus den EU-Töpfen".
NGOs als Tarnorganisationen für Geschäftsinteressen?
Es besteht allerdings der Verdacht, dass zumindest einige NGOs ihren Status dazu benutzen, um quasi in der Tarnung der Gemeinnützigkeit Lobby-Interessen oder gar wirtschaftliche Interessen durchzusetzen. "Einige wichtige Aspekte des NRO-Status wurden nicht überprüft, beispielsweise, ob durch Vertreter staatlicher Stellen in Leitungsgremien von NRO eine staatliche Einflussnahme erfolgt oder ob die sich selbst als NRO einstufende Einrichtung nicht die geschäftlichen Interessen ihrer Mitglieder verfolgt", heißt es in dem Bericht. Ohne den Namen der entsprechenden NGO zu nennen, beschreibt der Sonderbericht ein konkretes Beispiel: "Bei der Einrichtung handelt es sich um eine Forschungseinrichtung, die neben Forschungs- und Innovationstätigkeiten fortgeschrittene technische Dienstleistungen für die Textilindustrie und integrierte Dienstleistungen für die Kosmetikindustrie erbringt. Die Einrichtung beschäftigt mehr als 250 Mitarbeiter und unterhält weltweit Büros. Es handelt sich um eine private, gemeinnützige Organisation, die jedoch eindeutig die geschäftlichen Interessen ihrer überwiegend gewinnorientierten Mitglieder verfolgt und daher nicht als NRO hätte angesehen werden dürfen. Im Rahmen der Umfrage des Hofes gab sie ferner an, keine NRO zu sein", so der Bericht.

Die Kritik an mangelnder Transparenz wird auch interessant vor dem Hintergrund der umfangreichen Lobbyarbeit, die in Brüssel für die Elektromobilität und das Verbrenner-Verbot betrieben wird - eine Entscheidung, von der nicht zuletzt die chinesische Autoindustrie massiv profitiert. Wie der Nachrichtendienst "Table.Media" vor einigen Wochen enthüllt hatte, gehört zu den NGOs, die offiziell keine kommerziellen Interessen verfolgen und Gelder aus dem LIFE-Programm der EU bekommen, auch „ClientEarth“. Der Verein strengte unter anderem mehrere sogenannte Klima-Klagen an und finanzierte auch die Anti-Diesel-Klagen der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Die DUH selbst war 2024 in die Kritik geraten, weil sie vor einigen Jahren als offiziell gemeinnützige Organisationen einem Gaslobby-Verband eine zwei Millionen Euro teure Kampagne angeboten hatte , um gasbetriebene Taxen in einem guten Licht dastehen zu lassen. Die angebotene Kampagne sollte explizit dazu dienen, den Einsatz von Dieselfahrzeugen „zurückzudrängen“ - und steht damit einer Gemeinnützigkeit eigentlich diametral entgegen.
"Transport & Environment" für Lobbyarbeit bezahlt
Noch kritischer ist die Lobbyarbeit der Organisation „Transport & Environment“ (T&E) zu bewerten, da diese im politischen Umfeld und in Medien in der Regel als unabhängige, mehr oder weniger wissenschaftlich arbeitende Instanz wahrgenommen wird. T&E hat nach Recherchen von Table.Media im Jahr 2023 eine Förderung der EU-Kommission in Höhe von 700.000 Euro bekommen. Im Gegenzug sollte T&E die Agenda der EU-Kommission mit dem Titel „Zero Emission and Circular Cars“ pushen. Das Ziel: Bis 2030 soll durch eine Reform der Dienstwagenbesteuerung und der Flottengesetzgebung in allen EU-Mitgliedstaaten erreicht werden, dass es „100 Prozent Nullemissionsfahrzeuge in allen Dienstwagenflotten in allen wichtigen EU-Märkten bis 2030“ gibt.
EU-Kontrolleur kritisiert enge Verbindungen zu Regierungen
Niclas Herbst (CDU), Vorsitzender des Haushaltskontrollausschusses des Europaparlaments, kritisiert im Gespräch mit FOCUS online die zu laxen Transparenz-Regeln, die zudem oft auf Eigeninformationen der Mittel-Empfänger basierten. "Der Rechnungshof kritisiert völlig berechtigt, dass wichtige Aspekte des NGO-Status nicht geprüft werden, beispielsweise wer genau in den Leitungsorganen der NGOs das Sagen hat. Dies hat zur Folge, dass im Finanztransparenzsystem fälschlicherweise einige Organisationen als NGOs klassifiziert werden, obwohl sie enge Verbindungen zu Regierungen haben. Bei der Definition von NGOs darf es keinen Interpretationsspielraum geben. Dies muss auch im Interesse jeder seriös arbeitenden Nichtregierungsorganisation sein", so Herbst.
Der Europäische Rechnungshof hat der EU-Kommission nun Empfehlungen gemacht, wie die Transparenz im NGO-Dickicht erhöht werden kann, unter anderem durch eine einheitliche Einstufung der jeweiligen Organisationen und eine Überprüfung, ob die Organisationen in Einklang "mit den Werten der EU" agieren.