Trotz knappem Woidke-Sieg Nach der Brandenburg-Wahl ist die AfD Nummer eins im Osten
23.09.2024, 13:06 Uhr Artikel anhören
Der Spitzenkandidat in Brandenburg, Hans-Christoph Berndt (2. v. l.), feiert zusammen mit Jörg Urban (Sachsen), Björn Höcke (Thüringen) und Parteichef Tino Chrupalla den AfD-Wahlerfolg.
(Foto: picture alliance / Metodi Popow)
Die SPD gewinnt dank Ministerpräsident Dietmar Woidke die Landtagswahl in Brandenburg, kommt bei der Regierungsbildung aber nicht mehr am BSW vorbei. Die AfD kann indes jetzt zu Recht behaupten, die Nummer eins im Osten zu sein.
Die Leihstimmen-Kampagne, inklusive eines überraschenden Wahlaufrufs aus Sachsen, bringt der SPD in Brandenburg doch noch den Sieg und hält Dietmar Woidke im Amt. Die Sozialdemokraten gewinnen die Landtagswahl mit 30,9 Prozent, landen knapp vor der AfD. Woidke hatte die Fortsetzung seiner politischen Karriere an den Sieg bei der Landtagswahl geknüpft - auf diesem Weg hat er viele Stimmen von Menschen geholt, die die SPD nur wegen des Ministerpräsidenten gewählt haben.
Auch wenn die AfD nicht auf Platz eins gelandet ist und damit eines ihrer Wahlziele verpasst hat, schafft die Partei eine historische Wachablösung im Osten. Die AfD ist von jetzt an offiziell die stärkste politische Kraft in den ostdeutschen Bundesländern. Betrachtet man nur die fünf Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Sachsen und Brandenburg, hat keine Partei künftig so viele Landtagssitze wie die AfD. Die Blauen kommen auf 138 Mandate im Osten und überholen damit die CDU mit künftig 128 Sitzen. Vor der Brandenburg-Wahl lagen beide Parteien mit je 131 Sitzen noch gleichauf.
Für die AfD ist der zweite Platz in Brandenburg das insgesamt drittstärkste Landtagswahlergebnis in der Parteigeschichte - nur drei Wochen nach den historisch besten Ergebnissen: 32,8 Prozent in Thüringen, erstmals stärkste Kraft in einem Bundesland. 30,6 Prozent in Sachsen, knapp hinter der CDU. Jetzt 29,2 Prozent in Brandenburg, knapp hinter der SPD.
SPD? In jeder Regierung, aber nur die drittmeisten Sitze
Die CDU kommt durch den Verlust von drei Mandaten in Brandenburg nun auf 128 Landtagssitze in den fünf ostdeutschen Ländern. In Sachsen-Anhalt und Sachsen führen Christdemokraten die Landesregierungen an, in Thüringen versucht Mario Voigt derzeit die künftige Regierung als Zweitplatzierter anzuführen. In Mecklenburg-Vorpommern ist die CDU nur in der Opposition, in Brandenburg eine künftige Regierungsbeteiligung inzwischen unsicher.
Die Sozialdemokraten haben künftig 91 Landtagsabgeordnete zwischen Ostsee und Erzgebirge, den mit Abstand größten Anteil machen Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg aus. In MV feierte die SPD vor drei Jahren einen Erdrutschsieg unter Führung von Ministerpräsidentin Manuela Schwesig. In Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen ist die SPD zwar ebenfalls an der Landesregierung beteiligt, aber jeweils nur als sehr kleiner Juniorpartner. In Brandenburg bleibt Woidkes SPD dagegen stärkste Kraft, muss aber ein neues Regierungsbündnis schmieden.
Die SPD könnte entweder eine Koalition mit dem BSW eingehen oder mit BSW und CDU in einer Dreier-Koalition regieren. Woidke kündigte noch am Wahlabend an, zunächst mit der CDU Gespräche führen zu wollen. Wenn die SPD weiterhin eine Regierungsmehrheit haben will, braucht sie zwingend das Bündnis Sahra Wagenknecht. Das BSW hat nach Sachsen und Thüringen bei ihrer dritten Wahl zum dritten Mal ein zweistelliges Ergebnis eingefahren. Damit ist die erst vor einem Jahr gegründete Partei in allen drei Landtagen etwa gleichstark vertreten und kann sich überall Hoffnungen auf eine Regierungsbeteiligung machen. In Summe kommt das Bündnis auf 44 Sitze und hat damit in Ostdeutschland schon jetzt mehr Abgeordnete als die Linke (38), obwohl das BSW in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt noch gar nicht antreten konnte.
Desaster für Linke, Grüne und FDP
Die ehemalige Partei von Sahra Wagenknecht ist durch die BSW-Gründung regelrecht aufgefressen worden. Das Wahldebakel in Brandenburg (3 Prozent) sorgt dafür, dass die Linke zum ersten Mal überhaupt aus einem ostdeutschen Landtag fliegt. In Sachsen war der Partei Anfang des Monats nur dank des Gewinns zweier Direktmandate der Sprung ins Parlament gelungen. In Thüringen wurde die Partei von der stärksten Partei im Landtag (2019) bis auf Platz vier durchgereicht. Der völlige Sturz in die Bedeutungslosigkeit wird derzeit nur dadurch verhindert, dass die Linke in Mecklenburg-Vorpommern als SPD-Juniorpartner noch Teil der Regierung ist.
Auch die Grünen haben nach einem verheerenden Wahlmonat im Osten nicht mehr viel zu melden. 4,1 Prozent und der Verlust des Direktmandats sorgen in Brandenburg dafür, dass die Grünen erstmals nach 15 Jahren nicht mehr im Potsdamer Parlament vertreten sein werden. In Thüringen ereilte die Partei vor drei Wochen exakt dasselbe Schicksal. In Sachsen ist die Regierungspartei gerade so über die Fünf-Prozent-Hürde gekommen. In Thüringen und Brandenburg hat selbst das nicht mehr geklappt. Damit sind nur noch 18 grüne Politikerinnen und Politiker in den Landtagen der neuen Bundesländer vertreten. Bald dürfte es auch keine einzige Regierungsbeteiligung im Osten mehr geben.
Noch desaströser sieht es für die dritte Partei in der Bundesregierung aus. Die FDP hat in Thüringen (1,1 Prozent), Sachsen (0,9 Prozent) und Brandenburg (0,8 Prozent) durch die Bank historisch schlechte Wahlergebnisse eingefahren. Die Liberalen krebsen jeweils bei einem Prozent rum und haben in Brandenburg nicht mal halb so viele Stimmen geholt wie die Tierschutzpartei. Im Osten hält die FDP jetzt nur noch in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt Landtagsmandate, im Magdeburger Parlament als Regierungspartei im Bündnis mit SPD und CDU. Das Glück für die Freidemokraten: In Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt ist der Ampel-Effekt noch nicht zu sehen, denn in beiden Ländern wurde schon vor der letzten Bundestagswahl gewählt.
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Quelle: ntv.de