Nach Wahl-Debakel

Grünen-Chefs Ricarda Lang und Omid Nouripour treten zurück

Von Claus Christian Malzahn, Leonhard Landes, Sebastian Beug
Veröffentlicht am 25.09.2024Lesedauer: 4 Minuten

Bei den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg haben die Grünen schwere Niederlagen erlitten. Als Konsequenz entscheidet sich die Parteispitze nun zum Rücktritt. „Es braucht neue Gesichter, um die Partei aus der Krise zu führen“, sagt Ricarda Lang.

Der gesamte Bundesvorstand der Grünen hat sich zum Rücktritt entschlossen. „Es braucht einen Neustart“, sagte Grünen-Chef Omid Nouripour bei einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz am Mittwochvormittag. Die Partei befinde sich nach den Wahlniederlagen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg in „der tiefsten Krise seit einer Dekade“.

Nouripour erklärte: „Wir übernehmen die Verantwortung.“ Im Bundesvorstand sei gemeinsam und intensiv beraten worden, welche Veränderungen es brauche. „Es ist Zeit, die Geschicke dieser großartigen Partei in neue Hände zu legen.“

Co-Chefin Ricarda Lang betonte: „Es braucht neue Gesichter, um die Partei aus der Krise zu führen.“ Die nächste Bundestagswahl sei nicht irgendeine Wahl. Es werde auch darüber entschieden, in welche Richtung dieses Land sich entwickele und welche Rolle die Grünen im Parteiensystem einnähmen. „Wir wollen, dass unsere Partei mit größtmöglicher Stärke in den Wettbewerb um die Zukunft des Landes eintritt.“

„Jetzt ist nicht die Zeit, um am eigenen Stuhl zu kleben, jetzt ist die Zeit, Verantwortung zu übernehmen“, sagte Lang weiter. Bis zum Parteitag in Wiesbaden Mitte November führten Nouripour und sie die Geschäfte weiter. Die Entscheidung sei nicht leicht gefallen, sei aber aus Überzeugung getroffen worden. „Es war eine große Ehre, dieser Partei zu dienen.“

Habeck für geheime Wahl des Kanzlerkandidaten

Als einer der ersten Grünen-Spitzenpolitiker äußerte sich Wirtschaftsminister Robert Habeck. Er sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Dieser Schritt zeugt von großer Stärke und Weitsicht. Ricarda Lang und Omid Nouripour beweisen, was für sie der Parteivorsitz bedeutet: Verantwortung. Sie machen den Weg frei für einen kraftvollen Neuanfang. Das ist nicht selbstverständlich, es ist ein großer Dienst an der Partei.“

Habeck sagte weiter: „Hinter uns liegen harte Monate, die Grünen standen voll im Gegenwind.“ Die Niederlagen bei den letzten Wahlen seien unstrittig vom Bundestrend beeinflusst. „Wir tragen hier alle Verantwortung, auch ich. Und auch ich will mich ihr stellen“, sagte Habeck. „Ich möchte auf dem Parteitag eine offene Debatte zu einer möglichen Kandidatur und ein ehrliches Votum in geheimer Wahl.“ Habeck gilt als aussichtsreichster Kandidat, sollte die Partei wieder einen Kanzlerkandidaten ins Rennen schicken.

Baerbock würdigt Rücktritt

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock würdigte den Rücktritt. „Ich habe großen Respekt vor dem Schritt, den Omid Nouripour und Ricarda Lang gegangen sind“, sagte die Grünen-Politikerin am Rande der UN-Generalversammlung am Mittwoch in New York. „Wenn man in der Politik ist, dann weiß man, das ist bemerkenswert, das ist keine Selbstverständlichkeit, weder politisch und vor allen Dingen nicht menschlich.“ Gefragt nach den Konsequenzen betonte Baerbock: „Wir müssen uns alle in diesen herausfordernden Zeiten in der Politik, wir als Grüne und als demokratische Parteien fragen, was machen wir anders, was werden wir anders machen, um das Vertrauen der Menschen in Politik zurückzugewinnen.“ 

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Die grünen Co-Fraktionschefinnen Katharina Dröge und Britta Haßelmann dankten Lang und Nouripour für ihre Arbeit. „Wir haben großen Respekt vor Eurer Entscheidung und der des Bundesvorstands, die Partei für kommende Wahlkämpfe neu aufzustellen“, erklärten sie. Parlamentsgeschäftsführerin Irene Mihalic betonte, die Entscheidung verdiene „großen Respekt“.

Auch der ehemalige Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Anton Hofreiter, bedankte sich bei Nouripour und Lang und mahnte eine Diskussion über die Neuaufstellung an. „Es zeugt von Größe, dass sie bereit sind, die Verantwortung zu übernehmen“, sagte er dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. „Bei den Grünen braucht es jetzt eine ruhige und konzentrierte Diskussion, was die Strategie und die personelle Neuaufstellung an der Parteispitze betrifft.“

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hält den Rücktritt für den richtigen Schritt. „Beide haben die Partei in nicht einfachen Zeiten mit hoher Loyalität zur Bundesregierung geführt. Das verdient großen Respekt“, teilte Kretschmann mit. 

Habeck-Vertraute als Nachfolgerin im Gespräch

Die Grünen planen, vom 15. bis zum 17. November einen Parteitag in Wiesbaden abzuhalten. Es ist die 50. Bundesdelegiertenkonferenz, wie die Parteitage bei den Grünen heißen. Dort soll ein neuer Vorstand gewählt werden.

Lang und Nouripour führen die Partei seit Anfang 2022. Regulär wären sie mindestens bis Ende 2024 im Amt. Dem bisherigen Vorstand gehören neben Lang und Nouripour noch die stellvertretenden Parteivorsitzenden Pegah Edalatian und Heiko Knopf, Geschäftsführerin Emily Büning und Bundesschatzmeister Frederic Carpenter an.

Zu möglichen Nachfolgern äußerten sich Nouripour und Lang nicht. Im Gespräch dafür sind nach Medienberichten Wirtschaftsstaatssekretärin Franziska Brantner und der Bundestagsabgeordnete Felix Banaszak. Brantner ist Parlamentarische Staatssekretärin von Wirtschaftsminister Robert Habeck, der die Grünen als Kanzlerkandidat in die nächste Bundestagswahl führen könnte. Banaszak war früher Parteichef der Grünen in Nordrhein-Westfalen und ist ein wichtiger Drahtzieher des linken Flügels.

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Die Grünen in Brandenburg hatten bei der Landtagswahl am Sonntag drastische Verluste erlitten und kamen nach dem vorläufigen Ergebnis auf 4,1 Prozent. Da sie auch kein Direktmandat gewannen, werden sie künftig nicht im Landtag vertreten sein. Auch in Thüringen verpasste die Partei den Wiedereinzug ins Landesparlament. In Sachsen erlitten die Grünen Verluste und schafften mit 5,1 Prozent und zwei Direktmandaten der Wiedereinzug in den Landtag.

mit dpa

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