Messerattacke

„Danke Angela Merkel Partei Grüne“ – Trauer und Demonstrationen nach Anschlag in Solingen

Veröffentlicht am 27.08.2024Lesedauer: 4 Minuten
Menschen in Solingen legten Blumen nieder und zündeten Kerzen an. Andere reagierten mit Wut
Menschen in Solingen legten Blumen nieder und zündeten Kerzen an. Andere reagierten mit WutQuelle: Gianni Gattus/dpa

Nach dem Anschlag von Solingen gedenken die Bürger der Opfer. Am Sonntag demonstrierten verschiedene Gruppen in der Innenstadt, linke Gruppen durchbrachen eine Polizeikette. Die vier Verletzten sind inzwischen außer Lebensgefahr.

Solingen trauert um die Opfer der Messerattacke auf dem Stadtfest am Freitag: Zwei Tage nachdem ein mutmaßlicher Islamist drei Menschen auf dem Stadtfest tötete und acht weitere verletzte, suchen die Solinger Halt und Trost. Am Sonntagmorgen lud die evangelische Gemeinde zu einem ökumenischen Gottesdienst in der Stadtkirche ein – unweit vom Tatort.

In der Nähe des Tatortes legten viele Menschen Vereinsschals, Kuscheltiere, Briefe und andere Botschaften der Verbundenheit nieder. „Wir wollten doch nur feiern, dann kam der Tod“, steht auf einem Pappschild. „Warum?“, fragen andere.

Doch unter die Trauer mischt sich auch Wut über die Migrationspolitik, da es sich bei dem mutmaßlichen Täter um einen Syrer handelt, der eigentlich nach Bulgarien hätte abgeschoben werden sollen, aber untertauchte. „Danke Angela Merkel Partei Grüne“ ist auf einem Schild zu lesen, das am Gedenkort abgelegt wurde – ein ironischer Hinweis auf die Flüchtlingspolitik der Altkanzlerin und der Grünen. 

„Danke Angela Merkel Partei Grüne“ steht auf einem Zettel zwischen Trauerkerzen
„Danke Angela Merkel Partei Grüne“ steht auf einem Zettel zwischen TrauerkerzenQuelle: Thomas Banneyer/dpa

Demonstrationen nach Anschlag in Solingen

Am Sonntag demonstrierten verschiedene Gruppierungen in der Innenstadt. Insgesamt habe es drei verschiedene Versammlungen rund um die Innenstadt und den Tatort gegeben, sagte ein Sprecher der Polizei. Nachdem zunächst alles friedlich verlaufen sei, hätten einige Teilnehmer einer Demonstration von linken Gruppierungen eine Polizeikette durchbrochen. Die Beamten seien dadurch genötigt gewesen, sich mit Schlagstöcken zu wehren. Die Polizei sei mit entsprechenden Kräften vor Ort gewesen, um für Sicherheit zu sorgen.

Linke Gruppen, zu denen auch Anhänger der Antifa gehörten, griffen Polizisten an
Linke Gruppen, zu denen auch Anhänger der Antifa gehörten, griffen Polizisten anQuelle: REUTERS

Wie viele Menschen sich insgesamt jeweils versammelten, war am Abend unklar. Bei einer Trauerkundgebung, zu der das von linken und bürgerlichen Organisationen getragene Bündnis „Wuppertal stellt sich quer“ aufgerufen hatte, rechnete die Polizei im Vorfeld mit rund 100 bis 200 Teilnehmern. Zu einer Kundgebung der Jungen Alternative, der Jugendorganisation der AfD, wurden laut Polizei 50 Teilnehmer angemeldet.

Oberbürgermeister Kurzbach: „Unsere Stadt ist voller Trauer“

Bereits am Samstagabend gab es in der Solinger Fußgängerzone eine Andacht, an der rund 1500 Menschen teilnahmen. Sie war begleitet von ruhiger Musik. Viele kamen mit Blumen und Kerzen. „Die Stadt ist heute eine andere als sie gestern war“, sagte der Solinger Stadtdechant Michael Mohr. „Worte zu finden, ist fast unmöglich – Gesten zeigen nicht“.

Bürger bei der Andacht am Samstagabend auf dem Neumarkt in Solingen
Bürger bei der Andacht am Samstagabend auf dem Neumarkt in SolingenQuelle: Henning Kaiser/dpa

„Wir in Solingen sind tief betroffen, unsere Stadt ist voller Trauer. In dieser Trauer nicht alleine zu sein, ist aber ein gutes Zeichen“, sagte Oberbürgermeister Tim Kurzbach (SPD) unmittelbar vor der Andacht. Er dankte den Menschen in NRW, ganz Deutschland und dem Ausland für ihre Beileidsbekundungen. „Und ich vertraue darauf, dass wir in Solingen zusammenhalten – auch im größten Schmerz. Dass wir in der Trauer zusammenstehen“, sagte Kurzbach.

„Du bist nicht allein“: Solinger teilen ihre Gedanken und ihr Mitgefühl
„Du bist nicht allein“: Solinger teilen ihre Gedanken und ihr MitgefühlQuelle: Thomas Banneyer/dpa

Am Rande der Andacht standen auch mehrere mit lila Westen gekennzeichnete Seelsorger bereit, um mit Bürgern zu sprechen. Spitzenpolitiker von Bund und Land hatten nach einem Statement vor dem Solinger Rathaus erklärt, sie würden nicht mehr an den Tatort gehen, um die Ermittlungen nicht zu stören.

Die vier Verletzten sind nach Klinikangaben außer Lebensgefahr. „Alle vier noch stationär behandelten Patienten sind über den Berg“, sagte der ärztliche Direktor des Städtischen Klinikums Solingen, Thomas Standl, im WELT Nachrichtensender. „Ich komme gerade von der Visite auf der operativen Intensivstation, wo zwei Patienten – einer davon auch bis vor Kurzem – noch beatmet wurde“, sagte Standl. Auch dieser Patient werde inzwischen nicht mehr beatmet.

Zeuge: „Ein Freund von mir liegt im Krankenhaus“

Ein Teilnehmer des Stadtfestes vom Freitag schilderte am Rande der Andacht gegenüber WELT seine Eindrücke. „Ich stand mit vielen Freunden auf dem Platz und wollte feiern“, sagte der Mann. Als der Attentäter mit einem Messer auf Besucher vor einer Bühne in der Innenstadt eingestochen hatte, sei er an einer anderen Bühne gewesen, das Fest wurde abgebrochen. „Es wurde erst im Verlauf des weiteren Abends überhaupt klar, was da passiert ist, und wie schlimm das ist.“

„Ein Freund von mir liegt im Krankenhaus“, sagte der Zeuge weiter. Ihm gehe es verhältnismäßig gut und er sei auf dem Wege der Besserung. „Er wird auch wieder – im Gegensatz zu den drei Todesopfern.“ Diesen wolle er mit der Teilnahme an der Andacht sein Mitgefühl ausrücken.

Er sei sich sicher, dass Taten wie die am Freitagabend selbst mit strengen Kontrollen wie etwa in Israel üblich nicht verhindert werden könnten. „So können wir in der freien westlichen Welt nicht leben.“ Es gebe immer ein Restrisiko. „Ich wünsche mir, dass wir uns das für die Zukunft nicht nehmen lassen, irgendwann, wenn die Trauer verarbeitet ist, trotzdem Feste zu feiern. Das ist wichtig für eine Stadtgesellschaft.“

sebe/saha mit dpa

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