Nach Solingen

„Es reicht“ – Merz fordert Aufnahmestopp für Syrer und Afghanen, Spahn will Grenzen schließen

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Von Sebastian BeugRedakteur Nachrichten & Gesellschaft
Veröffentlicht am 26.08.2024Lesedauer: 5 Minuten

CDU-Chef Friedrich Merz wirft Bundeskanzler Scholz vor, zu wenig gegen Messergewalt unternommen zu haben. Für Flüchtlinge aus Syrien oder Afghanistan soll ein Aufnahmestopp verhängt werden. Union-Fraktionsvize Spahn will noch einen Schritt weitergehen.

Es sind die bisher deutlichsten Worte eines Spitzenpolitikers zur Messerattacke von Solingen: Mit „Es reicht!“ hat CDU-Chef Friedrich Merz einen Beitrag an seine Unterstützer überschrieben („MerzMail“), den die CDU am Sonntag auf der Parteihomepage veröffentlichte. In dem Schreiben kritisiert Merz die Migrationspolitik der Ampel-Koalition mit deutlichen Worten und fordert Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auf, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden.

„Die Tat reiht sich ein in eine ganze Serie von Messerangriffen, denen in den letzten Monaten zahlreiche Menschen in Deutschland zum Opfer gefallen sind“, schreibt Merz. Seit Wochen streite die Koalition über eine Verschärfung des Waffenrechtes und über ein Messerverbot. „Nach dem Terrorakt von Solingen dürfte nun endgültig klar sein: Nicht die Messer sind das Problem, sondern die Personen, die damit herumlaufen.“ In der Mehrzahl der Fälle seien dies Flüchtlinge, in der Mehrzahl der Taten steckten islamistische Motive dahinter.

Tatortbesuche, Bekundungen des Mitgefühls und Strafandrohungen seien notwendig, reichten aber nicht mehr aus. Auch ein Appell des ehemaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck sei verhallt. Die CDU habe der Ampel-Koalition in den vergangenen zwei Jahren mehrfach gemeinsame Lösungen angeboten, die ebenfalls abgelehnt worden seien. Nun sei Bundeskanzler Scholz in der Pflicht.

„Ich fordere Sie auf, mit uns zusammen schnell und ohne weitere Verzögerungen Entscheidungen zu treffen, die konsequent darauf ausgerichtet sind, weitere Terroranschläge wie den vom letzten Freitag in unserem Land zu verhindern“, schreibt Merz. Dazu zählten Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan sowie ein Aufnahmestopp für diese Länder. „Weitere Flüchtlinge aus diesen Ländern nehmen wir nicht auf.“

Merz fordert Asylpolitik nach dänischem Vorbild

Wer als anerkannter Flüchtling aus Deutschland in sein Heimatland reise, verliere jeden Aufenthaltsstatus, schlägt Merz weiter vor. Recherchen von RTL hatten zuletzt gezeigt, dass afghanische Flüchtlinge sich zeitweise in ihrer Heimat aufhielten – ohne Kenntnis der Behörden.

Ferner schlägt Merz vor, die zeitlich befristeten Grenzkontrollen zu verstetigen und die geltenden Dublin-Regeln wieder durchzusetzen. Danach muss ein Asylbewerber seinen Antrag innerhalb der EU in jenem Land stellen, das er zuerst betreten hat. Für ausreisepflichtige Straftäter schlägt Merz einen unbefristeten Abschiebegewahrsam vor.

Abschließend gibt Merz Scholz einen Ratschlag, wie er eine restriktivere Asyl- und Migrationspolitik innerhalb der SPD durchsetzen könnte. „Laden Sie die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen ein, die Sie gut kennen. Die sozialdemokratisch geführte Regierung in Dänemark macht eine solche Ausländerpolitik seit Jahren mit großem Erfolg und hat nebenbei auf diese Weise dafür gesorgt, dass die Rechtsradikalen in Dänemark keine Rolle spielen.“

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Falls die Grünen oder die FDP dieser Entwicklung im Wege stünden, sollte Scholz von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch machen und Abstimmungen über die Gesetze im Bundestag freigeben, fordert Merz. Damit signalisiert er eine Zustimmung der Union zu möglichen Asylrechtsverschärfungen.

„Wir wollen keine Beteiligung an Ihrer Regierung und keine Ämter, wir wollen, dass Sie Ihrem Amtseid nachkommen und Schaden vom deutschen Volk abwenden. Mit uns haben Sie dafür im Deutschen Bundestag eine Mehrheit – wenn Sie denn noch die Kraft aufbringen, eine solche Entscheidung zu treffen“, endet das Schreiben.

Söder für anlasslose Kontrollen in Fußgängerzonen

Auch andere Unionspolitiker machten am Sonntag Druck auf die Bundesregierung. CSU-Chef Markus Söder forderte anlasslose Kontrollen durch die Polizei, etwa in Fußgängerzonen. „Wir haben nicht die richtigen Instrumente, um gegen Gewalt und auf Gewalt zu reagieren“, sagte Söder im ARD-„Sommerinterview“ laut Vorabmeldung. „Beim Auto werden Sie nämlich kontrolliert, anlasslos geht das. Bei Fußgängerzonen nicht“, sagte Söder.

Er schloss sich der Forderung nach Abschiebungen von abgelehnten Asylbewerbern auch nach Syrien und Afghanistan an. „Jemand, der sich wehrt gegen eine Abschiebung, der muss in Abschiebearrest kommen und muss dann abgeschoben werden. Und auch nach Syrien und auch nach Afghanistan, muss endlich wieder abgeschoben werden“, sagte er.

Wüst fordert Aufarbeitung in Behörden

NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) fordert derweil eine Aufarbeitung innerhalb der Behörden. „Da gibt es eine Menge Fragen. Es sind auch eine Menge Behörden involviert. Das muss aufgeklärt werden, und da muss Klartext gesprochen werden, wenn da etwas schiefgelaufen ist“, sagte Wüst im Interview der „Aktuellen Stunde“ im WDR Fernsehen.

Wie am Sonntag bekannt wurde, sollte der Tatverdächtige eigentlich im vergangenen Jahr nach Bulgarien abgeschoben werden, weil sein Asylantrag abgelehnt worden war. Der Syrer war über Bulgarien in die Europäische Union eingereist. 

Im ZDF „heute journal“ sagte Wüst: „Wenn da irgendwo was schiefgelaufen ist, bei welcher Behörde auch immer, ob vor Ort in Bielefeld, in Paderborn oder bei Landes- oder Bundesbehörden, dann muss die Wahrheit da auf dem Tisch.“ Unter der Verantwortung des Bundesamts für Migration und Flucht seien viele Behörden damit beschäftigt. „Ich will das wissen, was da schiefgelaufen ist, wenn da was schiefgelaufen ist“, so Wüst. 

Bereits am Nachmittag hatte Wüst bei einem Statement gesagt, dass es etwa noch offene Fragen zum Aufenthaltsstatus des mutmaßlichen Täters gebe. Im WDR sagte er, es stelle sich etwa die Frage, warum das Bundesamt nicht noch mal Druck gemacht habe, nach Bulgarien abzuschieben. 

Wüst stellte sich auch hinter die Forderung von CDU-Chef Merz nach einem generellen Aufnahmestopp für Flüchtlinge aus Syrien und Afghanistan. „Ja, ich halte das für richtig. Ich habe schon vor vielen Monaten gesagt, wir werden das Thema Migration und Flucht nicht in den Amtsstuben der Kreisausländerbehörden regeln können“, sagte Wüst. Das zeige sich jetzt auch an der Komplexität. „Die markigen Ankündigungen des Bundeskanzlers ‚Abschieben im großen Stil‘ hören die Menschen gerne. Aber dann muss auch was passieren.“

Spahn: „Deutsche Grenzen müssen geschlossen werden“

Unions-Fraktionsvize Jens Spahn (CDU) geht noch einen Schritt weiter und fordert Grenzschließungen zur Verhinderung irregulärer Migration. „Es kommen seit Jahren jeden Tag hunderte junge Männer aus Syrien und Afghanistan nach Deutschland und Europa. Das muss endlich enden“, sagte Spahn der „Rheinischen Post“. 

Der Anschlag von Solingen zeige erneut „schmerzhaft die Konsequenzen dieses Kontrollverlustes“, sagte Spahn. „Die deutschen Grenzen müssen für irreguläre Migration geschlossen werden.“ 

Thorsten Frei (CDU), Parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, forderte in einem Brief an Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) eine Sondersitzung des Innenausschusses bis spätestens Mittwoch. Dort solle Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) berichten.

Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm (CDU), forderte angesichts der Vorgänge in Solingen neben einer Begrenzung der Asylpolitik eine „konsequente Terrorabwehr“. Dazu gehöre eine Stärkung der Nachrichtendienste mit zusätzlichen Befugnissen – etwa durch die Vorratsdatenspeicherung.

mit AFP/saha

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