Bundeskanzler Scholz

„Solche Straftäter gehören abgeschoben – auch wenn sie aus Syrien und Afghanistan stammen“

Veröffentlicht am 07.06.2024Lesedauer: 5 Minuten

Die tödliche Messerattacke auf einen Polizisten in Mannheim hat eine Debatte über Abschiebungen von Straftätern ausgelöst. Bundeskanzler Olaf Scholz macht in seiner Regierungserklärung eine klare Ansage dazu.

Nach der tödlichen Messerattacke in Mannheim will Bundeskanzler Olaf Scholz die Abschiebung von Schwerstkriminellen nach Afghanistan und Syrien wieder ermöglichen. Wer terroristische Taten verherrliche oder feiere, solle ebenfalls abgeschoben werden. Dafür gibt es scharfe Kritik aus der eigenen Koalition.

In seiner Regierungserklärung zur aktuellen Sicherheitslage hat sich Bundeskanzler Olaf Scholz am Donnerstag klar für die Abschiebung von schweren Straftätern wie dem Messerangreifer von Mannheim nach Afghanistan und Syrien ausgesprochen. „Solche Straftäter gehören abgeschoben, sie haben bei uns nichts verloren – auch wenn sie aus Syrien und Afghanistan stammen“, sagte der SPD-Politiker im Bundestag. In solchen Fällen wiege das Sicherheitsinteresse Deutschlands schwerer als das Schutzinteresse des Täters.

Wie genau er die Abschiebungen ermöglichen will, sagte der Kanzler nicht. Das Bundesinnenministerium suche nach „rechtlich und praktisch tragfähigen Wegen“ der Umsetzung und sei bereits mit den Nachbarländern Afghanistans im Gespräch. Den tödlichen Messerangriff auf einen Polizisten bezeichnete er als „Terror“.

Man werde auch nicht länger dulden, wenn terroristische Straftaten verherrlicht und gefeiert werden. Scholz kündigte an, die Ausweisungsregelungen so zu verschärfen, „dass aus der Billigung terroristischer Straftaten ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse folgt“. „Wer Terrorismus verherrlicht, wendet sich gegen alle unsere Werte – und gehört auch abgeschoben.“

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Allgemein gelte: „Wer einen Polizisten tötet, muss auf das Härteste bestraft werden.“ Man werde das Strafrecht in dieser Hinsicht gezielt verschärfen. „Es gibt in Deutschland kein Faustrecht – wer das anders sieht, bekommt ein massives Problem mit unserer Justiz.“ Scholz betonte außerdem, dass es jetzt schon jetzt die Möglichkeit gebe, Waffen- und Messerverbotszonen auszuweisen. Diese sollten bundesweit ermöglicht werden.

Die FDP dringt darauf, dass die seit vielen Monaten ablaufende Prüfung, ob in einigen Fällen Rückführungen rechtssicher möglich gemacht werden könnten, bald abgeschlossen werden soll. Stephan Thomae, innenpolitischer Sprecher der Liberalen, sagte WELT: „Der Bundeskanzler hat völlig recht. Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien dürfen kein Tabu mehr sein. Denn wer zu uns kommt, hier Asyl beantragt und dann schwere Straftaten begeht, der hat jedes Aufenthaltsrecht in Deutschland verwirkt und muss abgeschoben werden. Es ist gut, dass das Bundesinnenministerium prüft, wie die aktuell ausgesetzten Abschiebungen nach Afghanistan wieder rechtssicher und praktikabel durchgeführt werden können. Allerdings können sich diese Prüfverfahren nicht bis in alle Ewigkeit hinziehen, es braucht jetzt zügig konkrete Lösungsvorschläge.“

Der Kanzler warnte in seiner Regierungserklärung davor, die 20 Millionen Menschen mit Einwanderungsgeschichte unter Generalverdacht zu stellen: „Wer Verbrechen wie das in Mannheim dazu missbraucht, der legt die Lunte an unseren Zusammenhalt. Menschen mit Migrationshintergrund sind Teil unserer Gesellschaft – wir lassen uns nicht spalten. Wir können stolz sein, dass sich das auch in unserer Nationalmannschaft widerspiegelt: Es sind alles Deutsche, es sind alles unsere Jungs.“

Zuvor hatte er sich an die Bevölkerung gewandt: „Jeder muss in unserem Land ohne Furcht vor seinen Mitmenschen leben können, das ist das zentrale Versprechen unseres Rechtsstaats. Und dieses Versprechen setzen wir mit aller Macht durch. Terror sagen wir den Kampf an, er will Angst und Schrecken verbreiten.“ Ohne Freiheiten gebe es keine Demokratie. „Diejenigen müssen sich fürchten, die unsere Freiheit und unseren Frieden angreifen wollen. Wer das tut, hat mich und die Bundesregierung als entschiedensten Gegner.“

Scholz verteidigt Ukraine-Kurs und teilt gegen AfD aus

Scholz versicherte zudem, alles zu tun, damit Deutschland nicht in den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine hineingezogen werde – gerade auch nach der Erlaubnis für die Ukraine zum Einsatz deutscher Waffen auf russischem Territorium. Die Bundesregierung habe sich dabei eng mit den Verbündeten abgestimmt. Die Bürger könnten sich darauf verlassen, „dass wir dabei besonnen handeln. Dass wir alle Risiken genau abwägen“. Er betonte: „Dazu stehe ich als Bundeskanzler, der dem Frieden und der Sicherheit Deutschlands verpflichtet ist.“

Den Zwischenrufern der AfD wolle er sagen, so Scholz: „Das ist schon peinlich, dass Sie heute großes Lob vom russischen Präsidenten bekommen haben. Ich will gerne sagen: Das haben Sie sich wacker erarbeitet. Das werden die Bürgerinnen und Bürger gut zu beurteilen wissen.“ Bundespräsidentin Bärbel Bas hatte am Anfang der Regierungserklärung zudem eine „beleidigende Äußerung aus der AfD-Fraktion“ wahrgenommen. Sie forderte das Protokoll an und wollte eine Ordnungsmaßnahme verhängen.

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Scholz sagte den Betroffenen der jüngsten Hochwasser erneut die Hilfe des Staates zu. Das Ausmaß der Schäden sei groß. „Wir werden diese Schäden – wie bei früheren Hochwassern auch – gemeinsam mit den Ländern bewerten und Hilfe organisieren“, versprach er. Der Bundeskanzler dankte auch erneut allen Helfern. „In der Not rücken wir zusammen. Das gehört sich so. So ist Deutschland“, betonte er.

Zugleich räumte Scholz ein, Bund und Länder müssten sich besser auf solche Katastrophen vorbereiten. Deshalb würden Küstenschutz und Hochwasserschutz im Binnenland verbessert. Überall im Land müssten Flutpolder und Rückhaltebecken entstehen – auch wenn das nicht beliebt sei. Auch beim Thema Elementarschadenversicherung gebe es Fortschritt. Am 20. Juni wolle er mit den Regierungschefinnen und -chefs der Länder darüber beraten. „Eigentümer von Häusern und Wohnungen müssen sich gegen Elementarschäden versichern können“, betonte Scholz.

Grüne werfen Scholz „innenpolitische Bankrotterklärung“ vor

Scharfe Kritik an den Forderungen des Kanzlers kam zum Teil aus der Ampel-Koalition. Die Grünen-Abgeordnete und Sprecherin für Afghanistan, Schahina Gambir, warf Scholz vor, eine „innenpolitische Bankrotterklärung“ abgegeben zu haben. Die Forderungen des Kanzlers verstießen gegen „elementare Menschenrechte“, in Afghanistan gebe es „dokumentierte willkürliche Hinrichtungen“, zudem sei Folter legal, hieß es in einer Stellungnahme, aus der das Nachrichtenportal „Politico“ zitierte.

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann meldete derweil Zweifel an der Umsetzung der von Scholz in Aussicht gestellten Abschiebungen von Straftätern nach Afghanistan an. Die Debatte an sich sei zwar richtig, aber der Kanzler verharre zu oft in Ankündigungen, bleibe in der Ausgestaltung unkonkret und zeige keine Führung. „In so einer Zeit, wo wir so eine Stimmung haben, die aufgewirbelt wird durch so einen Vorfall jetzt beispielsweise wie Mannheim, musst du Führung zeigen als Bundeskanzler. Und das macht er nicht“, sagte Linnemann WELT TV. „Und das ist das Hauptproblem. Wir brauchen Führung in Deutschland.“

„Der Straftäter hätte gar nicht in Deutschland sein dürfen“

Bundeskanzler Olaf Scholz spricht sich in seiner Regierungserklärung dafür aus, Straftäter auch aus unsicheren Ländern abzuschieben. Scholz habe schon letztes Jahr „verkündet, dass er abschieben will. Das passiert nicht“, sagt CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann.

Linnemann warf Scholz vor, auch dieses Mal beim Thema Abschiebungen vage zu bleiben. „Ich erwarte einfach konkrete Schritte von ihm – und die hat er nicht gezeigt.“

jr mit dpa/leu/säd

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