Fregatte „Hessen“ schießt unwissentlich auf Drohne eines Verbündeten

Die im Roten Meer zum Schutz von Handelsschiffen eingesetzte Fregatte „Hessen“ hat den ersten Angriff der aus dem Jemen agierenden Huthi-Miliz abgewehrt. WELT-Reporter Max Hermes berichtet aus Tel Aviv über die aktuellen Entwicklungen.
Der erste scharfe Waffeneinsatz der Fregatte „Hessen“ im Roten Meer ist erfolgreich verlaufen. Am Dienstagabend wurden zwei feindliche Flugziele bekämpft. Eine weitere Drohne konnte zuvor nicht abgeschossen werden. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass es sich offenbar um eine US-Drohne handelte.
Die Bundeswehr-Fregatte „Hessen“ hat bei ihrem Einsatz im Roten Meer unwissentlich auf eine Drohne eines verbündeten Landes geschossen. Der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Michael Stempfle, berichtete am Mittwoch, dass das deutsche Kriegsschiff bereits am Montag eine Drohne im Einsatzgebiet gesichtet habe, die zunächst keiner der verbündeten Nationen zugeordnet werden konnte. Daraufhin habe die „Hessen“ versucht, diese Drohne abzuschießen, was aber nicht gelungen sei. „Der Fall hat sich insofern aufgelöst, als es keine Drohne war, die feindlich war, wie sich aber erst im Nachhinein herausgestellt hat.“
Welchem Land diese Drohne im Nachhinein zugeordnet wurde, sagte Stempfle nicht. Er betonte aber ausdrücklich, dass es vor dem Beschuss eine Abfrage der „Hessen“ bei allen verbündeten Nationen gegeben habe, bei der kein Land eine eigene Drohne im Einsatzgebiet gemeldet habe. Erst später stellte sich dann heraus, dass es sich um eine nicht gemeldete Drohne handelte. Es ist allgemein bekannt, dass Kampfdrohnen der USA in der Region unterwegs sind, die nichts mit dem Einsatz im Roten Meer zu tun haben.
Wie es zu dem Beinaheabschuss der Drohne kommen konnte, wird jetzt untersucht. Nach Angaben des Branchenblogs „augengeradeaus.net“ handelt es sich um eine US-Drohne vom Typ MQ-9, die häufig auch als Reaper bezeichnet wird. Sie war nach vorliegenden Informationen ohne den eingeschalteten Transponder für die Freund-Feind-Kennung (IFF, Identification Friend-Foe) und ohne Kenntnis der Operationszentralen in den Kriegsschiffen anderer Nationen in dem Luftraum unterwegs.
Kurz zuvor war bekannt geworden, dass die zum Schutz von Handelsschiffen eingesetzte Fregatte „Hessen“ am Dienstagabend erstmals einen Angriff der aus dem Jemen agierenden Huthi-Miliz abgewehrt und zwei Drohnen abgeschossen hat. Laut dem X-Account „Bundeswehr im Einsatz“ handelte es sich um zwei unbemannte Drohnen. Auf dem Schiff seien demnach keine Personen- oder Sachschäden entstanden.
Nach Angaben des Branchenblogs wurden diese Drohnen mit dem 76 Millimeter-Bordgeschütz sowie der RAM-Waffe (Rolling Airframe Missile-System) der Fregatte abgeschossen. Dies deutet darauf hin, dass die Drohnen dem Marineschiff bereits relativ nahe gekommen sind, denn diese Waffen sind für den sogenannten Nahbereich ausgelegt.
Pistorius: Frühzeitiger Einsatz der Fregatte „Hessen“ war richtig
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) erklärte, der frühzeitige Einsatz habe sich mit dem Abschuss zweier feindlicher Drohnen am Dienstabend bewährt. Es sei zunächst gegen 20 Uhr eine erste Drohne gesichtet und abgefangen worden. 15 Minuten später sei eine zweite erfolgreich bekämpft worden, „die sich im Anflug auf das Schiff befand“, sagte Pistorius am Mittwoch bei einem Truppenbesuch in bayerischen Oberviechtach. Die Fregatte habe ihrem Auftrag gemäß zum fraglichen Zeitpunkt im südlichen Roten Meer in der ihr zugewiesenen Region patrouilliert.
Der Minister bestätigte, dass es bereits am Vorabend zu einem weiteren Vorfall gekommen war, „bei dem auch geschossen wurde, aber nicht getroffen wurde“, sagte er. Es habe sich um eine Aufklärungsdrohne gehandelt. Die „Hessen“ habe mit allen infrage kommenden Parteien Kontakt aufgenommen. „Ein Abschuss erfolgte letztlich nicht.“

Die „Hessen“ ist seit Freitag an dem EU-Einsatz zum Schutz von Handelsschiffen im Roten Meer beteiligt. Die „Hessen“ war vorher von Wilhelmshaven aus Richtung Einsatzgebiet gestartet mit dem Ziel, sofort nach dem Bundestagsbeschluss mit der Erfüllung des Auftrags beginnen zu können. Verteidigungsminister Boris Pistorius hatte gesagt, der Einsatz leiste einen Beitrag zur Stabilisierung der Region. Der Einsatz gilt als gefährlichste Mission der Marine in der Geschichte der Bundeswehr.
Die mit dem Iran verbündete Miliz will mit den Angriffen von Handelsschiffen im Roten Meer ein Ende des israelischen Militäreinsatzes im Gazastreifen erzwingen, der eine Reaktion auf den Terrorüberfall der islamistischen Hamas am 7. Oktober ist.
In der vergangenen Woche hatte die Huthi-Miliz erklärt, Angriffe auf Handelsschiffe vor der Küste des Landes ausweiten zu wollen. Man setze auf Eskalation als Antwort auf die Eskalation Israels im Gazastreifen, sagte der Anführer der Gruppe, Abdel-Malik al-Huthi, in einer Fernsehansprache. Bislang seien 48 Schiffe angegriffen worden. Zudem kündigte er den Einsatz von Unterwasser-Waffen an.
Der Seeweg durch das Rote Meer und den Suezkanal ist eine der wichtigsten Handelsrouten weltweit. Wegen der Angriffe der vom Iran hochgerüsteten Huthi meiden große Reedereien zunehmend die kürzeste See-Verbindung zwischen Asien und Europa – mit erheblichen Auswirkungen auf die Weltwirtschaft.