Nun kommt die Volksinitiative, welche die Nationalbank zum Kauf von Bitcoin verpflichten will

Die Kryptowährung gehöre zwingend in die Währungsreserven, so die Promotoren. Mit Bitcoin könne die Schweiz ihre Unabhängigkeit und Neutralität sichern. Sukkurs bekommen sie von einem renommierten Experten für Geldpolitik.

Markus Städeli 4 min
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Krypto-Bro Thomas Jordan?

Krypto-Bro Thomas Jordan?

Collage Hans-Jörg Walter / Keystone

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) ist seit je eine Projektionsfläche. Zum Beispiel für Goldfanatiker, Klimalobbyisten oder Politiker am linken oder rechten Rand des Spektrums, die «überschüssige» Währungsreserven gerne an ihre Klientel verteilen würden. Kurz vor seinem Amtsende bekommt es der SNB-Chef Thomas Jordan nun auch noch mit Aktivisten einer speziellen Art zu tun: mit Bitcoin-Fans.

Eine Gruppierung um den Westschweizer Krypto-Evangelisten Yves Bennaïm lanciert eine Volksinitiative, die einem Verfassungsartikel zwei kleine, aber bedeutungsvolle Wörter hinzufügen will. Heute steht dort: «Die Schweizerische Nationalbank bildet aus ihren Erträgen ausreichende Währungsreserven; ein Teil dieser Reserven wird in Gold gehalten.» Künftig soll es heissen «in Gold und Bitcoin».

Der Vorteil einer solch maximal einfachen Formulierung sei, dass diese der SNB erlaube, den Umfang einer solchen Anlage selbst zu bestimmen. Sie könne auch bloss einen Franken in Bitcoin halten, sagt Bennaïm. Man brauche also vor seiner Volksinitiative keine Angst zu haben.

Eine Debatte anstossen

Das Ziel sei primär, eine Debatte anzustossen. Bennaïm zeigt sich besorgt über die Zukunft der Schweiz in einer zunehmend unsicheren Welt. Es sei wichtig, die nötigen Schritte zu unternehmen, um unsere «Souveränität und Neutralität zu schützen».

«Wir sind dabei, die organisatorischen Vorbereitungen für das Komitee abzuschliessen und die Unterlagen zu erstellen, die bei der Staatskanzlei eingereicht werden müssen, um den Prozess zu starten», sagt Bennaïm, der auch Vorstandsmitglied des Branchenverbands Bitcoin Association Switzerland ist.

Schützenhilfe erhält Bennaïm von Luzius Meisser, der unter anderem als Präsident des Vermögensverwalters Bitcoin Suisse amtet: Auch er wird am kommenden Freitag an der Generalversammlung der SNB die Trommel für Bitcoin als Reservewährung rühren – dabei stehen ihm die üblichen 3 Minuten Redezeit zur Verfügung.

«Natürlich hat meine Wortmeldung auch eine Marketingkomponente. Aber ich bin wirklich der Überzeugung, dass Bitcoin Bestandteil der Schweizer Währungsreserven sein sollte», sagt Meisser. Dieser digitale Vermögenswert sei langfristig robuster als Euro- und Dollar-Anlagen, deren Wirtschaftsräume dazu neigten, mittels Inflation ihre Schuldenberge zu reduzieren und damit auch die Anlagen der SNB zu entwerten.

Wie Bennaïm argumentiert auch Meisser mit Eigenständigkeit: «Mit einer Aufnahme von Bitcoin in die Reserven würde die Schweiz ihre Unabhängigkeit von der Europäischen Zentralbank markieren. Ein solcher Schritt würde unsere Neutralität stärken.»

Die Schweiz könnte 30 Milliarden Franken reicher sein

Meisser ist Wiederholungstäter. Zusammen mit anderen Aktionären machte er bereits an der Generalversammlung 2022 den Vorschlag, die SNB solle monatlich für 1 Milliarde Franken Bitcoin kaufen – zulasten von deutschen Staatsanleihen. «Hätte sie dies getan, wäre die Schweiz heute rund 30 Milliarden Franken reicher», sagt Meisser. Diese Rechnung will er auch am kommenden Freitag präsentieren.

Meisser glaubt, dass die SNB solche Themen grundsätzlich nüchtern anschaue. Allerdings sei das Timing bei Anlageentscheiden wichtig. Es lohne sich, zu den Pionieren zu gehören, sagt Meisser mit einem Verweis auf die jüngere Geschichte der Nationalbank.

«Die SNB trennte sich um die Jahrtausendwende zum schlechtestmöglichen Zeitpunkt von einem grossen Teil ihrer Goldreserven, nachdem das bereits eine Reihe anderer Zentralbanken getan hatten und der Goldpreis den tiefsten Punkt seit Jahrzehnten erreicht hatte.»

Wenn sie sich zu spät mit Bitcoin auseinandersetze und ihr andere Zentralbanken zuvorkämen, riskiere sie, «zu wesentlich höheren Preisen einsteigen zu müssen als alle anderen», sagt Meisser.

Natürlich werden Bennaïm und Meisser mit ihrer Forderung im rasch wachsenden Krypto-Valley offene Türen einrennen. Aber nicht nur dort: Teile der traditionellen Finanzbranche sind längst auf den Zug aufgesprungen. Schliesslich können nun selbst Kunden der Postfinance oder einiger Kantonalbanken Bitcoin kaufen. Und auch in Lugano kann man nun seine Steuern in Bitcoin und anderen Kryptowährungen begleichen.

In der Branche hofft man, dass die jüngsten Bewilligungen für Bitcoin-Anlagevehikel, etwa in den USA oder in Hongkong, die SNB beeinflussen werden. «Vor zwei Jahren gab es insbesondere in den USA noch keine Klarheit über den rechtlichen Status von Bitcoin. Inzwischen hat die US-Börsenaufsicht diese Kryptowährung als Rohstoff eingestuft, und Bitcoin ist jetzt ein fester Bestandteil des traditionellen Finanzsystems», sagt Leon Curti, Leiter Research beim Vermögensverwalter Digital Asset Solutions. Diese Legitimierung mache der Nationalbank einen Entscheid, in Bitcoin zu investieren, womöglich leichter.

Aus wissenschaftlicher Sicht sei ohnehin klar, dass ein Investment in einen Vermögenswert, der eine so geringe Korrelation zu anderen Anlagen aufweise, einen positiven Diversifikationseffekt habe. Curti hofft auch auf einen Werbeeffekt für den hiesigen Standort. «Bereits eine kleine Bitcoin-Investition der Nationalbank hätte eine grosse Signalwirkung und würde den Ruf der Schweiz als Krypto-Nation unterstreichen.»

Das Anliegen geniesst selbst bei einigen Wissenschaftern Sympathien. Zum Beispiel bei Gunther Schnabl, der das Institut für Wirtschaftspolitik an der Universität Leipzig leitet und zuvor Berater der Europäischen Zentralbank war. «Währungsreserven werden traditionell in Staatsanleihen gehalten, die als sicherste Anlageform gelten. Doch die Staatsverschuldung ist in den meisten Industrieländern stark angestiegen, so dass das Ausfallrisiko gewachsen ist», sagt er.

Das Risiko von Zahlungsausfällen steigt

Zahlungsausfälle könnten sich in Form von Zahlungsunfähigkeit, Inflation oder finanzieller Repression materialisieren. Das könne selbst in seinem Heimatland blühen. Deutschland habe zwar relativ geringe Staatsschulden und eine Schuldenbremse. Doch es bestünden Risiken, da der Euro-Raum inhärent instabil sei, sagt Schnabl.

In den USA steige die Staatsverschuldung besonders schnell, was dem Vertrauen in den Dollar als Weltleitwährung schade. «In einem zunehmend instabilen Weltwährungssystem könnte der Bitcoin als Vermögenswert zur Risikodiversifizierung bei den Fremdwährungsreserven der SNB beitragen», so der Geldpolitik-Experte.

Vor zwei Jahren entgegnete Thomas Jordan auf den Vorschlag Meissers, dass Bitcoin «aus heutiger Perspektive» die Anforderung , die man an Währungsreserven stelle, nicht erfülle. Die SNB will sich nicht dazu äussern, ob das damalige Urteil noch immer gilt.

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