Politik

Habeck warnt vor Umsturzplänen "Wenn an Traktoren Galgen hängen, ..."

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Erst hindern Landwirte Robert Habeck daran, eine Fähre zu verlassen, dann legen sie vielerorts das Leben lahm: Der Bundeswirtschaftsminister warnt vor einer Eskalation der Bauernproteste und sieht nicht weniger als die Demokratie in Gefahr. Radikale und Populisten seien "voll motiviert und mobilisiert".

Zwei Tage nach der Blockade einer Fähre mit Vize-Kanzler Robert Habeck an Bord hat sich der Grünen-Politiker erstmals ausführlich zu den Bauernprotesten geäußert. In einer in sozialen Medien veröffentlichten Videobotschaft bot der Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz Gespräche über die grundsätzliche Finanzierung der Landwirtschaft an und warnte zugleich eindringlich vor einem Angriff auf die liberale Demokratie. "Es kursieren Aufrufe mit Umsturzfantasien, extremistische Gruppen formieren sich, völkisch-nationalistische Symbole werden gezeigt", sagte Habeck mit Blick auf eine Instrumentalisierung der Bauernproteste durch interessierte Dritte. Im Land sei etwas ins Rutschen geraten.

"Der Bauernverband betont immer wieder, dass er gewaltfrei und friedlich demonstrieren will", sagte Habeck. Das komme aber nicht bei allen Teilnehmern der Proteste an. "Wenn an Traktoren Galgen hängen, wenn Traktorkolonnen zu privaten Häusern fahren, dann ist eine Grenze überschritten", warnte Habeck. Der Rechtsstaat müsse Menschen, die ihn zersetzen wollten, zur Rechenschaft ziehen. "Social Media-Kampagnen, die teils von Putin bezahlt werden, in denen man sich als Opfer inszeniert, um Gewalt gegen Personen und Dinge zu rechtfertigen, politische Programme, die Umsturz oder gar Umvolkung das Wort reden und immer anderen die Schuld geben, Rechtsradikale, die den Schutzraum der Freiheit nutzen, um sie abzuschaffen: Das dürfen wir nicht dulden", sagte Habeck weiter.

Habeck gibt Union Teilschuld

In Deutschland begann am Montag eine landesweite Protestwoche der Landwirte gegen geplante Subventionsstreichungen. Unterstützt von weiteren Gegnern der Regierungspolitik blockieren Landwirte Innenstädte und Autobahnauffahrten. Habeck konnte am Donnerstag auf der Heimreise von seinem Urlaub eine Fähre in Schleswig-Holstein nicht verlassen, weil mehrere Hundert Demonstranten den Fähranleger blockierten. Die Proteste hatten sich an Plänen der Bundesregierung entzündet, Subventionen für Agrar-Diesel sowie bei der KFZ-Steuer für Landwirtschaftsfahrzeuge zu streichen. Diese Kürzungen kommen im Zuge der Proteste nun in kleinerem Umfang. Am Montag verabschiedete das Kabinett seine umfangreichen Sparvorhaben, von denen die Agrarsubventionen nur ein kleiner Teil sind, und die nun vom Bundestag verabschiedet werden sollen.

"Wir sind den Bauern bei großen Teilen des Kostendrucks entgegengekommen", sagte Habeck. Die Regierung müsse aber nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts Ausgaben zusammenstreichen. "Es ist eine Tatsache, dass die Union mit dem Ziel geklagt hat, dass Milliarden eingespart werden." Diese Einsparungen seien in dem Paket "breit verteilt" worden. Zugleich betonte Habeck sein Verständnis für Sorgen und Nöte der Landwirte und erinnerte daran, dass er selbst in Schleswig-Holstein sechs Jahre lang Landwirtschaftsminister war, zahlreiche Höfe besucht und mit noch mehr Landwirten gesprochen habe.

Alternativen zu Subventionen besprechen

"Ja, sie wirtschaften unter einem mächtigen ökonomischen Druck", sagte Habeck. "Bauern können ihre Produktionskosten oft nicht weitergeben, weil die Preise nicht von ihnen gemacht werden." Diese würden bestimmt durch die großen Discounter, durch die Schlachthöfe und Molkereien sowie die schwankenden Weltmarktpreise. Dadurch müssten immer weniger und größere Höfe immer mehr produzieren, um wirtschaftlich mithalten zu können. "Es ist die Industrialisierung der Landwirtschaft", sagte Habeck. Diese Entwicklung habe aber auch der Bauernverband selbst bisher befürwortet.

Unter den Landwirtschaftsministern von CDU und CSU hätten "über Hunderttausend Betriebe" aufgegeben", sagte Habeck und nahm damit die größte Oppositionspartei sowie den Bauernverband in Mithaftung für die Lage der Landwirte. Dabei gebe es Alternativen zu Subventionen: "faire Preise, gute Bezahlung für anspruchsvolle Arbeit, für Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Tierschutz, für direkte Vermarktung". Die aktuelle Debatte sei ein guter Anlass über die künftige Ausgestaltung der Landwirtschaft in Deutschland zu sprechen. Wie so ein Dialog zeitnah beginnen könnte, sagte Habeck nicht.

"Populisten haben Aufwind"

Der Grünen-Minister bezweifelte zudem, dass eine Agrarreform das Anliegen vieler Protestteilnehmer sei. "Hinter den angekündigten Protesten steht mehr als die jetzt angekündigte Regierungsentscheidung", sagte Habeck. "Der Hoffnung auf eine bessere Zukunft ist die Angst vor einer schlechteren gewichen", sagte er. "Wir dürfen nicht zulassen, dass Extremisten diese Verunsicherung kapern." Habeck warnte vor Fantasien, "unseren demokratischen Staat stürzen zu wollen".

Es gebe "keine Garantie, dass nicht auch in Deutschland die Debatte immer weiter verroht, sodass am Ende das Recht und der Rechtsstaat gefährdet sind". Zivilcourage bedeute, auch für andere einzustehen. Demokraten müssten zusammenhalten. "Die Radikalen und Populisten haben Aufwind, sie sind voll motiviert und mobilisiert." Die "große schweigende Mehrheit" müsse sich einbringen und gegen Antidemokraten zusammenstehen, die seien "der gemeinsame Hauptgegner".

Quelle: ntv.de, shu

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