Die deutsche Innenministerin Nancy Faeser verbietet die Hamas und das palästinensische Netzwerk Samidoun. Die Polizeigewerkschaft fürchtet Ausschreitungen

Bereits vor einigen Wochen hatte Bundeskanzler Olaf Scholz ein Verbot in Aussicht gestellt. Für das Wochenende werden Zehntausende zu propalästinensischen Demonstrationen in Berlin erwartet.

Fatina Keilani, Berlin 3 min
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Innenministerin Faeser verkündete am Donnerstag das Verbot.

Innenministerin Faeser verkündete am Donnerstag das Verbot.

Imago / M. Popow

Kaum jemand kannte das palästinensische Netzwerk Samidoun vor dem 7. Oktober, als die Hamas Israel angriff. Danach gelangten seine Unterstützer zu negativer Berühmtheit: Um den Überfall auf Israel als Akt des palästinensischen «Widerstands» zu feiern, verteilten Samidoun-Mitglieder zu Ehren der Hamas Süssigkeiten unter jubelnden Arabern auf der Berliner Sonnenallee.

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Die deutsche Innenministerin Nancy Faeser hat den Verein Samidoun am Donnerstag verboten. Das bedeutet: Vermögen wird eingezogen, Internetauftritte und Aktivitäten in sozialen Netzwerken werden verboten. Wer weiter für die Organisationen aktiv ist, macht sich strafbar. Wer keine deutsche Staatsbürgerschaft hat, riskiert seinen Aufenthaltstitel. Der Hamas wurde ein Betätigungsverbot auferlegt.

Die Polizei befürchtet Ausschreitungen. Man werde die Entscheidung in den nächsten Nächten auf den Strassen spüren, hiess es aus dem Berliner Landesverband der Polizeigewerkschaft GdP. Für das kommende Wochenende sind propalästinensische Demonstrationen angekündigt; allein in Berlin werden Zehntausende Teilnehmer erwartet.

Vereinsverbote auch schon unter Seehofer

Deutsche Vereine, die der Hamas nahestanden, hatte Faesers christlichsozialer Amtsvorgänger Horst Seehofer schon 2021 verboten. Die Hamas ist in Deutschland nicht selbst als Verein aktiv, kann also auch nicht als solcher verboten werden. Die EU hat die Hamas als Terrororganisation eingestuft.

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat diese Einstufung bestätigt. Auch der Generalbundesanwalt stuft die Hamas als terroristische Vereinigung ein. Daher wurde jegliche Betätigung verboten. Die Hamas steht seit 2001 auf der Terrorliste auch der Vereinigten Staaten. In Deutschland konnte die Organisation allerdings unter Einschränkungen agieren.

Schon im Jahr 2014 erliess der damalige christlichdemokratische Innenminister Thomas de Maizière ein Betätigungsverbot für den sogenannten Islamischen Staat, um dessen Aktivitäten in Deutschland zu unterbinden.

Die Gefahr bei Verboten dieser Art ist stets, dass die handelnden Personen sich einfach anders organisieren und damit Zeit gewinnen, bis die Sicherheitsbehörden ihnen auf die Spur kommen. Der Verfassungsschutz beobachtet Islamisten mit erhöhter Aufmerksamkeit. Hinter der Hamas stehen nach Schätzungen des Verfassungsschutzes in Deutschland rund 450 Menschen, von denen viele deutsche Staatsbürger sind.

Zentralrat der Juden begrüsst den Entscheid

«Die Terrororganisation Hamas verfolgt das Ziel, den Staat Israel zu vernichten», sagte Faeser. «Ihre Propaganda sehen wir in Deutschland bei ihrem besonders aggressiven Demonstrationsverhalten und insbesondere durch Angriffe auf jüdische Einrichtungen und Wohnhäuser von Jüdinnen und Juden.»

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, begrüsste den Entscheid der Innenministerin. Über die Mitglieder von Samidoun sagte er: «Sie verbreiteten viel zu lange ihr islamistisches ideologisches Gift – und es hat sich kurzfristig gezeigt, dass sie in Deutschland eine Vorfeldorganisation der Hamas-Vernichtungsideologie ist.»

Der israelische Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, hatte kurz nach dem Hamas-Angriff im Interview mit der NZZ gesagt, Organisationen wie Samidoun sammelten Geld für den Aufbau terroristischer Infrastruktur in Gaza. Dementsprechend lobte Prosor die Entscheidung Faesers am Donnerstag auf X (früher Twitter).

Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte kurz nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel Anfang Oktober ein Betätigungsverbot für die beiden Organisationen in Aussicht gestellt. «Es ist zu hoffen, dass durch die vorherige Ankündigung der Verbote nicht alle Beweismittel beseitigt wurden und die Wirkung des Verbotes hierdurch abgeschwächt wird», merkte der Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Volker Beck, an, der den Schritt im Übrigen als «längst überfällig» begrüsste.

Scholz bekam am Mittwochabend Konkurrenz durch den grünen Vizekanzler Robert Habeck, der eine vielbeachtete zehnminütige Rede veröffentlichte, die millionenfach aufgerufen wurde und die ihm sogar Applaus vom politischen Gegner einbrachte.

Darin versucht Habeck die gegenwärtige Lage im Nahen Osten zu «entwirren», stellt sich klar auf die Seite Israels und betont, das Verbrennen von Israel-Flaggen sei eine Straftat, für die man vor Gericht komme. Ausländer riskierten darüber hinaus ihren Aufenthaltstitel, und Personen ohne solchen Titel ihre Abschiebung. Die Rede wurde ganz überwiegend begeistert in Presse und sozialen Netzwerken aufgenommen.