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Der Fall Ghislaine Maxwell: Die ehemalige Vertraute von Jeffrey Epstein will gegen ihre Verurteilung in Berufung gehen

Ghislaine Maxwell spielte eine zentrale Rolle beim systematischen sexuellen Missbrauch junger Mädchen durch den amerikanischen Multimillionär Jeffrey Epstein. Nun ist das Strafmass für die bereits verurteilte Britin festgelegt worden.

NZZ-Redaktion
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Eine Gerichtszeichnung zeigt Ghislaine Maxwell beim Betreten des Gerichtssaals in Begleitung von zwei Marshalls zu Beginn ihres Prozesses am 29. November 2021.

Eine Gerichtszeichnung zeigt Ghislaine Maxwell beim Betreten des Gerichtssaals in Begleitung von zwei Marshalls zu Beginn ihres Prozesses am 29. November 2021.

Elizabeth Williams / AP

Die neusten Entwicklungen

  • Ghislaine Maxwell hat gegen ihre Verurteilung Berufung eingelegt. Sie fechte das Urteil an, hiess es in Gerichtsdokumenten, die der Deutschen Presse-Agentur am Donnerstag (7. 7.) in New York vorlagen. Maxwells Verteidigerin Bobbi Sternheim hatte bereits kurz nach dem Urteil angekündigt, in Berufung gehen zu wollen.
  • Die ehemalige Vertraute von Jeffrey Epstein, Ghislaine Maxwell, wird zu einer Gefängnisstrafe von 20 Jahren verurteilt. Das Strafmass wurde am Dienstag (28. 6.) verkündet. Die 60-Jährige war Ende Dezember wegen Beihilfe zum sexuellen Missbrauch minderjähriger Mädchen, Menschenhandels und anderer Verbrechen schuldig gesprochen worden. Jahrelang soll sie dem verstorbenen Multimillionär und Sexualstraftäter Jeffrey Epstein minderjährige Mädchen zugeführt haben. Die Staatsanwaltschaft forderte mindestens 30 Jahre Haft. Das mögliche Strafmass wurde mit bis zu 55 Jahren Gefängnis beziffert. Eine milde Strafe unter zehn Jahren, wie es die Verteidigung forderte, galt als unwahrscheinlich. Maxwell war am Wochenende wegen Selbstmordgefährdung unter Beobachtung gestellt worden. Ihre Anwälte gaben jedoch an, sie sei nicht selbstmordgefährdet. Zum Bericht
  • Rund zwei Wochen vor der Verkündung des Strafmasses hatten die Verteidiger von Ghislaine Maxwell noch um Milde gebeten. Maxwell habe eine zwar privilegierte, aber auch «schwierige und traumatisierende» Kindheit gehabt und unter einem «herrischen, narzisstischen und anspruchsvollen» Vater, dem Medienzar Robert Maxwell, gelitten, schrieben Maxwells Anwälte laut amerikanischen Medienberichten an die Richterin Alison Nathan. Das habe sie anfällig für die Avancen von Epstein werden lassen. Der 60-Jährigen drohen mehrere Jahrzehnte Haft. 
  • Im Dezember 2021 ist Ghislaine Maxwell von einem Geschworenengericht in New York in fünf von sechs Anklagepunkten schuldig gesprochen worden. Die Geschworenen sahen es als erwiesen an, dass Maxwell zwischen 1994 und 2004 mit Jeffrey Epstein konspiriert und ihn beim sexuellen Missbrauch minderjähriger Mädchen unterstützt hatte.

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Was ist die Vorgeschichte?

Jeffrey Epstein in einer undatierten Aufnahme.

Jeffrey Epstein in einer undatierten Aufnahme.

Us Attorney SDNY / EPA / Keystone

Der Fall Maxwell ist eng mit Jeffrey Epstein verknüpft. Der amerikanische Investmentbanker war 2019 wegen Prostitution, Menschenhandels und der vielfachen Vergewaltigung Minderjähriger angeklagt worden. Epstein wurde vorgeworfen, Dutzende von Mädchen missbraucht und sie seinen Freunden zur Verfügung gestellt zu haben. Dazu soll er zwischen 2002 und 2005 einen Sexsklavenring mit Minderjährigen aufgebaut haben. Für den stetigen Nachschub an Mädchen sorgte ein Schneeballsystem. Die Taten sollen sich auf Epsteins Anwesen in New York, Florida, Santa Fe und auf den Virgin Islands zugetragen haben. Laut den Ermittlungsakten sollen mindestens 80 seiner Opfer zum Zeitpunkt der Tat 14 Jahre oder jünger gewesen sein.

Die Vorwürfe gegen Epstein waren jedoch alles andere als neu. Bereits 2008 war er in Florida wegen fast identischer Anschuldigungen angeklagt worden. Er wurde schliesslich zu nur 13 Monaten Gefängnis verurteilt. Seinen Beziehungen zu einflussreichen Personen hatte er es offenbar zu verdanken, dass er einer langen Haftstrafe entging.

Zu einem neuerlichen Schuldspruch kam es allerdings nicht mehr. Am 10. August 2019 wurde Epstein tot in seiner Zelle in New York aufgefunden. Er wurde 66 Jahre alt. Von offizieller Seite wird davon ausgegangen, dass er Suizid beging. Wäre das Verfahren gegen ihn neu aufgerollt und er erneut schuldig gesprochen worden, hätte ihm eine Gefängnisstrafe von bis zu 45 Jahren gedroht. Epstein selbst plädierte wie bereits 2008 auch 2019 auf nicht schuldig.

Hier bekommen Sie Hilfe

Wenn Sie selbst Suizid-Gedanken haben oder jemanden kennen, der Unterstützung benötigt, wenden Sie sich bitte an die Berater der Dargebotenen Hand. Sie können diese vertraulich und rund um die Uhr telefonisch unter der Nummer 143 erreichen. Spezielle Hilfe für Kinder und Jugendliche gibt es unter der Nummer 147.

Was hat Maxwell mit den Vorwürfen gegen Epstein zu tun?

Nach Epsteins Tod geriet seine ehemalige Partnerin Ghislaine Maxwell in den Fokus von Ermittlern und der Öffentlichkeit. Maxwell wird vorgeworfen, eine zentrale Rolle bei Epsteins sexuellem Missbrauch von Minderjährigen gespielt zu haben. Laut der Staatsanwaltschaft soll sie Epsteins «rechte Hand» und seine wichtigste Komplizin in seinem Missbrauchsring gewesen sein. Die 60-Jährige soll ihrem Ex-Partner jahrelang neue Mädchen zugeführt haben, indem sie sie unter dem Vorwand, sie für Massagen einzustellen, in das gemeinsame Anwesen lockte.

Jeffrey Epstein und Ghislaine Maxwell im Jahr 2005 an einer Benefizveranstaltung an der Wall Street.

Jeffrey Epstein und Ghislaine Maxwell im Jahr 2005 an einer Benefizveranstaltung an der Wall Street.

Patrick McMullan / Getty

Infolgedessen tauchte Maxwell unter und versteckte sich acht Monate lang auf einem Anwesen in einem abgelegenen Waldstück in New Hampshire. Dort wurde sie schliesslich Anfang Juli 2020 vom FBI verhaftet.

Wie verlief der Prozess gegen Maxwell?

Nach ihrer Verhaftung musste sich Maxwell von Ende November bis Ende Dezember 2021 vor einem Geschworenengericht in New York verantworten. Die Anklage präsentierte einen Fall, der sich auf vier weibliche Opfer und zwei Dutzend Zeugen konzentrierte. Maxwell verzichtete vor Gericht auf eine Aussage und entging dadurch den Fragen der Anwälte der Klägerseite. Am 29. Dezember 2021 wurde Maxwell in mehreren Anklagepunkten für schuldig befunden.

Die zwölf Geschworenen sahen es als erwiesen an, dass die 60-Jährige von den sexuellen Missbräuchen ihres Partners an Minderjährigen nicht nur gewusst, sondern ihn zwischen 1994 und 2004 auch aktiv dabei unterstützt hatte. Sie spielte eine entscheidende Rolle dabei, das Vertrauen der Mädchen zu gewinnen und sie so in die Falle zu locken. Einige Male soll Maxwell bei den Übergriffen auch anwesend gewesen sein. Sie habe eine «Kultur des Schweigens» aufgebaut, um die Taten geheim zu halten. So hat sich Maxwell laut Anklage ihr eigenes Luxusleben bei Epstein aufrechterhalten wollen. Für nicht schuldig befanden die Geschworenen Maxwell im zweiten Anklagepunkt: Verführung einer Minderjährigen unter 17 Jahren zu einer Reise mit der Absicht, illegale sexuelle Handlungen an ihr vorzunehmen.

Maxwells Anwälte gaben bereits kurz nach der Verkündung des Urteils bekannt, in Berufung zu gehen. Sie hatten auf nicht schuldig plädiert und den Fall als juristische Abrechnung mit ihrer Mandantin dargestellt, da die Staatsanwaltschaft Epstein nach dessen Tod nicht mehr belangen könne. Sie sei zum Sündenbock für die Taten ihres Ex-Partners gemacht worden. Dieser sei ein «narzisstischer Mann» gewesen und habe die Welt um sich herum manipuliert – inklusive Maxwell selbst.

Was weiss man über Ghislaine Maxwell?

Maxwell ist die Tochter des verstorbenen Londoner Verlegers Robert Maxwell (1923–1991). Sie kam in den frühen 1990er Jahren nach New York, wo sie Epstein auf einer der zahlreichen Promi-Partys traf. Die beiden wurden ein Liebespaar und sollen nach der Trennung Freunde geblieben sein. Epsteins Umfeld beschrieb Maxwells Rolle in dessen Leben als eine Mischung aus Angestellter und bester Freundin.

Was ist über Jeffrey Epstein bekannt?

1953 geboren, verbrachte Jeffrey Epstein den Grossteil seiner Kindheit im New Yorker Stadtteil Brooklyn. Nachdem er sein Mathematikstudium ohne Abschluss beendet hatte, arbeitete er zunächst als Mathematiklehrer, bevor er im Jahr 1976 als Börsenspekulant bei der Investmentbank Bear Stearns einstieg. Dort wurde er 1980 Mitglied der Geschäftsleitung. Zwei Jahre später gründete er mit der Firma J. Epstein & Co. eine eigene Vermögensverwaltung, spezialisierte sich auf Geldanlagen für Milliardäre und verdiente damit selbst einen Haufen Geld. Zu seinen Kunden gehörte etwa Leslie Wexner, der Besitzer der bekannten Damenunterwäsche-Kette Victoria’s Secret.

Obwohl Epstein in den Medien oft als Milliardär bezeichnet wurde, war die Grösse seines Vermögens unbekannt. Das amerikanische Magazin «Forbes» listete ihn nicht als Milliardär auf. Dennoch war Epsteins Vermögen immens: Nebst einer Villa in Florida besass er eine Ranch in New Mexico, eine Wohnung in Paris, zwei Privatjets sowie eine der Jungferninseln.

Was hat der britische Prinz Andrew mit dem Fall zu tun?

Jeffrey Epstein hatte einen illustren Freundeskreis. Seine Tätigkeit als Hedge-Funds-Manager war sein Schlüssel zur Welt der Reichen und Berühmten: Epstein feierte in Villen rauschende Partys, liebte die Gesellschaft schöner, meist junger Frauen und umgab sich gerne mit den Reichen und Mächtigen. Zu seinem Freundeskreis gehörten neben anderen der Ex-Präsident Bill Clinton, der Schauspieler Kevin Spacey und der britische Prinz Andrew.

Gegen Letztgenannten wurde vor einigen Jahren ebenfalls der Vorwurf laut, über Epstein an Minderjährige für Sex gelangt zu sein. Dieser Vorwurf wird sowohl von Prinz Andrew als auch vom Buckingham-Palast bis heute zurückgewiesen. Im August 2021 wurde gegen Prinz Andrew in den USA eine Zivilklage wegen sexuellen Missbrauchs eingereicht. Klägerin war das Epstein-Opfer Virginia Giuffre. Sie warf dem Prinzen vor, sie 2001 im Alter von 17 Jahren mehrfach sexuell missbraucht zu haben. Andrew konnte einen Prozess jedoch abwenden, nachdem er sich Anfang 2022 aussergerichtlich auf einen wohl millionenschweren Vergleich mit Giuffre geeinigt hatte. Der Imageschaden für das britische Königshaus war jedoch immens. Infolgedessen wurden Andrew seine militärischen Rangabzeichen aberkannt, und er muss künftig auf die Anrede «Königliche Hoheit» verzichten. Seine Rückkehr in den engeren Kreis der Royals gilt als so gut wie unmöglich.

Mit Agenturmaterial.