Lehrkräfte in Berlin schlagen Alarm: Jüdische Schüler bleiben aus Angst zu Hause

+++ Israel-Fahnen angezündet +++ Warnung vor Tragen der Kippa +++

Lehrer des üdischen Gymnasiums in Berlin schrieben einen Brandbrief, sorgen sich um die Sicherheit

Lehrer des jüdischen Gymnasiums in Berlin schrieben einen Brandbrief, sorgen sich um die Sicherheit

Foto: Funke Foto Services
Von: Nicole Biewald

Nach dem Gewaltaufruf der Hamas-Terroristen ist die Angst vor Anschlägen in Deutschland groß. Die Polizei hat den Schutz jüdischer Einrichtungen verstärkt. Kitas bleiben geschlossen, Schulen sind halb leer. Die Angst geht um in der jüdischen Gemeinschaft.

Die jüdischen Gemeinden sind verunsichert, raten ihren Mitgliedern sogar, auf das Tragen der Kippa und das Sprechen auf Hebräisch in der Öffentlichkeit zu verzichten.

Aus Sorge, dass der Hass auf deutschen Straßen explodiert, ziehen sich die in Deutschland lebenden Juden in diesen Tagen zurück.

Jüdische Schulen und Kitas bleiben leer

Viele Schüler des Jüdischen Gymnasiums Moses Mendelssohn und der Rabbiner-Regina-Jonas-Schule in Berlin sind laut „BZ“ am Freitag aus Angst um ihre Sicherheit nicht zur Schule gekommen.

Auch „wegen bereits gemachter Gewalterfahrungen aufgrund des Nahost-Konflikts bleibt heute fast unsere gesamte Schülerschaft zu Hause. Unsere Schule ist also quasi leer“, heißt es in einem Brandbrief der Lehrkräfte an den Regierenden Bürgermeister von Berlin, Kai Wegner (51, CDU). Die Lehrer bemängeln, dass der deutsche Staat die Sicherheit von Schülern und Lehrern nicht gewährleiste.

Polizisten nehmen einen Pro-Palästina-Hetzer bei einer verbotenen Kundgebung in Berlin-Neukölln fest

Polizisten nehmen einen Pro-Palästina-Hetzer bei einer verbotenen Kundgebung in Berlin-Neukölln fest

Foto: spreepicture

Berlins Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (40, CDU): „Ich habe Kenntnis davon, dass in einigen jüdischen Einrichtungen heute – sowohl in Kitas als auch in Schulen – die Familien ihre Kinder und Jugendlichen nicht zum Schulbetrieb gebracht haben.“ Das sei nachvollziehbar.

Vor allem in Berlin-Neukölln kommt es seit dem Terror-Überfall auf Israel immer wieder zu schweren Ausschreitungen und massiven Angriffen auf Polizisten.

Auch im Stadtteil Reinickendorf waren Juden-Hasser unterwegs, zündeten die am Rathaus angebrachte Israel-Flagge an. „Diese Schändung ist ein Versuch, unser Gedenken und unsere Solidarität mit dem israelischen Volk zu stören“, empörte sich Bezirksbürgermeisterin Emine Demirbüken-Wegner (62, CDU).

Israelische Flagge vor Rathaus geklaut

Auch in anderen deutschen Städten kam es zu Übergriffen.

▶︎ In der Nacht zu Donnerstag stahlen Unbekannte vor dem Rathaus von Drochtersen (Niedersachsen) eine israelische Flagge. Laut Polizei durchtrennten die Diebe das Flaggenseil des Mastes, ließen die Flagge herunter und nahmen sie mit.

Bei den Tätern soll es sich um zwei Jungen und ein Mädchen handeln, die schon am Mittwoch versucht hatten, die Flagge zu stehlen. Arbeiter des Gemeindebauhofs hatten den Diebstahl da noch verhindert.

▶︎ In Stade (Niedersachsen) versuchte eine Gruppe Unbekannter, in das historische Rathaus einzubrechen und die dort gehisste Israel-Flagge zu stehlen. „Sie schlugen eine Scheibe ein und versuchten durch das zerborstene Fenster an die Fahne zu gelangen“, so die Polizei.

Bürgermeister Sönke Hartlef (61, CDU): „Ich verurteile das Eindringen in unser Rathaus auf das Schärfste und hoffe, dass die Polizei die Täter ermittelt.“

Jüdische Veranstaltungen abgesagt

„Wir haben Angst um unser Leben und das Leben unserer Kinder“, sagt Ariel Kirzon (44), Landesrabbiner der jüdischen Gemeinde in Potsdam.

Landesrabbiner Ariel Kirzon (44) aus Potsdam macht sich Sorgen um die Sicherheit seiner Gemeinde

Landesrabbiner Ariel Kirzon (44) aus Potsdam macht sich Sorgen um die Sicherheit seiner Gemeinde

Foto: Thomas Spikermann

Brandenburgs Antisemitismusbeauftragte Diana Sandler (53). „Wir brauchen zusätzliche Mittel für Sicherheitsverantwortliche in jeder jüdischen Gemeinde in Brandenburg.“

In mindestens zwei Gemeinden wurden Veranstaltungen anlässlich des jüdischen Ruhetages Schabbat wegen Sicherheitsbedenken abgesagt. Der Verband in Brandenburg vertritt insgesamt sieben Gemeinden.

Anfang Oktober wurden Stolpersteine zur Erinnerung an Nathan Bernfeld (1872-1950) und seine Frau Ellen Bernfeld (1898-1955) in Spremberg (Brandenburg) verlegt

Anfang Oktober wurden Stolpersteine zur Erinnerung an Nathan Bernfeld (1872-1950) und seine Frau Ellen Bernfeld (1898-1955) in Spremberg (Brandenburg) verlegt

Foto: Patrick Pleul/ZB

In den sozialen Medien wird laut Brandenburger Polizei zu Gewalt gegen Juden und jüdische Einrichtungen aufgerufen. „Die Polizei nimmt derartige Bedrohungen sehr ernst und wird daher lageangepasste Maßnahmen durchführen“, so ein Sprecher.

Juden sollen sich „unauffällig verhalten“

Die Sicherheitsabteilung der Israelitischen Kultusgemeinde in München (IKG) warnt ihre Mitglieder davor, die Kippa auf der Straße zu tragen. „Verhalten Sie sich unauffällig“, heißt es. Auch auf das Sprechen von Hebräisch sei aus Sicherheitsgründen zu verzichten. „Seien Sie aufmerksam, verhalten Sie sich unauffällig und meiden Sie Pro-Palästina-Demos“, lautet die Warnung.

Auch der Vorstand des jüdischen Gemeinde- und Kultur-Zentrums „Shalom Europa“ in Würzburg (Bayern) mahnt zur Vorsicht. Sprecherin Erika Frank zu „BR24“: „Keinesfalls sollte jemand mit der Kippa auf die Straße gehen.“

Fußball-Klub Makkabi Berlin spielt doch

Der jüdische Fußball-Klub Makkabi Berlin lässt sich nicht unterkriegen, stellt den Spielbetrieb nun doch nicht ein. „Alle unsere Herren-Mannschaften haben die Absicht, zu ihren jeweiligen Spielen am Wochenende anzutreten“, erklärte der Vorstand des Klubs in einer Stellungnahme.

In einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ hatte Makkabi-Präsident Alon Meyer am Dienstag angekündigt, dass man Spielbetrieb einstelle. Es seien „massive Maßnahmen ergriffen worden“.

Ein Fan von Makkabi Berlin feiert den Sieg gegen SV Sparta Lichtenberg im Berliner Mommsenstadion

Ein Fan von Makkabi Berlin feiert den Sieg gegen SV Sparta Lichtenberg im Berliner Mommsenstadion

Foto: picture alliance/dpa

Am Donnerstag dann die Entscheidung: „Wir als multikulturelle Mannschaft, die auch Moslems und Juden versammelt, wollen unbedingt weiterspielen und uns nicht unterkriegen lassen. Nur so können wir ein Zeichen für Toleranz und friedliches Miteinander setzen.“

Der Oberligist spielt am Sonntag beim FSV Berolina Stralau.

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